Trilog zur neuen Gentechnik: Einigung bis Dezember?

Vertreter:innen von EU-Parlament, Mitgliedstaaten und EU-Kommission verhandeln seit Monaten über die verbleibenden Streitpunkte der geplanten Verordnung zur Regulierung von Pflanzen aus neuen gentechnischen Verfahren (NGT). Am Donnerstag, 13.10., treffen sie sich zur nächsten offiziellen Trilog-Sitzung. Ob es mit einem straffen Arbeitsplan unter dänischer Ratspräsidentschaft bis Jahresende gelingen wird, die Verhandlungen zum Abschluss zu bringen, ist offen. Denn bisher scheint nur einer von drei großen Streitpunkten geklärt.

Seit Mai saßen die Unterhändler:innen der drei EU-Gremien in zahlreichen Vorbereitungs- und zwei Trilogtreffen zusammen, um zwischen den unterschiedlichen Positionen zur vorgeschlagenen NGT-Verordnung der EU-Kommission einen Kompromiss zu schmieden. Aus den Gesprächen hinter verschlossenen Türen dringen nur wenige Informationen nach außen. Die Plattform Euractiv meldete, Parlament und Mitgliedstaaten hätten sich auf eine gemeinsame Formulierung für den Anhang I der Verordnung geeinigt. Er legt fest, welche Kriterien eine NGT-Pflanze erfüllen muss, damit sie in die Kategorie 1 der neuen Verordnung fällt und von Risikobewertung, Zulassung und Kennzeichnung ausgenommen wird. Allerdings lagen die Verhandlungsparteien bei diesem Punkt nicht sehr weit auseinander. Ihr Kompromiss bestätigte die prinzipielle Herleitung der Kriterien durch die EU-Kommission.

Diese hatte zwei Schwellenwerte definiert, die eine NGT-Pflanze einhalten muss, um in Kategorie 1 eingestuft zu werden: Die Pflanze darf an bis zu 20 Stellen im Erbgut verändert werden. Und bei jeder dieser Veränderungen dürfen bis zu 20 Nukleotide, das sind die kleinsten Erbgut-Bausteine, ersetzt oder eingefügt werden. Das heißt: Auch mit 400 derart geänderten Erbgutbausteinen in einem Chromosomensatz bräuchte eine NGT-Pflanze keine Zulassung. Neu ist eine Klarstellung, dass die 20 mal 20 Veränderungen sich auf einen Chromosomensatz beziehen. Zahlreiche Pflanzen, etwa Weizen, besitzen jedoch mehrere Chromosomensätze. Mit diesem Kompromiss ignorierten Rat und Parlament zahlreiche Wissenschaftler:innen und mehrere Fachbehörden der Mitgliedstaaten wie die französische Anses oder das deutsche Bundesamt für Naturschutz. Sie hatten belegt, dass sich diese Kriterien für eine angebliche Gleichwertigkeit mit konventionell gezüchteten Pflanzen wissenschaftlich nicht begründen lassen.

Noch offen ist die Frage, ob NGT-Pflanzen der Kategorie 1 zusätzliche Nachhaltigkeitskriterien erfüllen sollen. Das hatte das EU-Parlament verlangt. Wie aus Brüsseler Kreisen zu hören ist, haben die Mitgliedstaaten inzwischen Entgegenkommen signalisiert. Viele können sich aber nur eine kurze Negativliste solcher Kriterien vorstellen, etwa mit Herbizidtoleranz als Ausschlusskriterium. Positivkriterien, womöglich damit verbunden, dass die Hersteller solcher Pflanzen ihre Nachhaltigkeitsversprechen auch belegen müssten, seien bei zahlreichen Staaten auf massive Ablehnung gestoßen, hieß es.

Laut Euractiv-Beitrag ist das EU-Parlament beim strittigen Thema von Patenten auf NGT-Pflanzen von seiner Maximalforderung abgerückt, diese auszuschließen. Hintergrund sei, dass die EU-Kommission und zahlreiche Mitgliedstaaten nicht bereit waren, dafür die EU-Biopatentrichtlinie zu ändern. Nun würden Kommission und Mitgliedstaaten versuchen, mit kleinen Klarstellungen, etwa zum Züchterprivileg oder zu Lizenzierungen, dem Parlament entgegenzukommen, bestätigten Brüsseler Kreise den Euractiv-Bericht. Das Züchterprivileg soll sicherstellen, dass Züchtungsunternehmen auch ohne Erlaubnis des Patentinhabers mit patentierten Sorten weiterzüchten dürfen. Bei den Lizensierungen geht es darum, für die Nutzer von patentiertem Saatgut Transparenz und Rechtssicherheit zu schaffen, da bei vielen NGT-Pflanzen mehrere Unternehmen Patente halten. Ob es in den vorbereitenden Sitzungen für den Trilog am Donnerstag gelang, einen Kompromiss zu finden, ist offen.

Der zweite große Streitpunkt neben den Patenten ist die Kennzeichnung von NGT-Pflanzen. Das EU-Parlament (EP) hatte hier im Frühjahr mit knapper Mehrheit beschlossen, dass sowohl Pflanzen als auch Produkte daraus über die gesamte Lebensmittelkette hinweg gekennzeichnet werden sollen. Mitgliedstaaten und EU-Kommission lehnen das ab. Bisher gibt es keine Anzeichen für eine Verständigung. Allerdings gehen Beobachter in Brüssel davon aus, dass die Unterhändlerin des Parlaments, Jessica Polfjärd von der Europäischen Volkspartei (EVP), zu der auch CDU/CSU gehören, bereits an einer Parlamentsmehrheit aus Rechten, Konservativen und Liberalen arbeitet, die einem Trilogkompromiss auch ohne Kennzeichnungspflicht zustimmen würde. Die Europawahl im Juni hatte die konservativen Kräfte im EP gestärkt.  

Deutschland hat sich in den Trilog-Verhandlungen bislang offenbar noch nicht positioniert. Die Bundesregierung arbeite nach wie vor daran, ihre Position zu NGT-Pflanzen festzulegen, teilte das federführende, CSU-geführte Landwirtschaftsministerium auf Nachfrage des Infodiensts mit. Denn CDU/CSU und SPD sind weiterhin uneins, wie das Inverkehrbringen von NGT-Pflanzen sinnvoll geregelt werden sollte. Wie der Infodienst Gentechnik bereits im Mai recherchierte, will Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD) NGT-Pflanzen und ihre Produkte verpflichtend kennzeichnen lassen, damit Verbraucher:innen frei wählen können, was sie kaufen. An dieser Haltung hat sich dem Vernehmen nach nichts geändert.

Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) setzt sich nach Angaben gut informierter Kreise dagegen intern vehement dafür ein, die Einführung grüner Gentechnik in Europa zu erleichtern. Rückendeckung soll sie demnach aus dem Bundeskanzleramt erhalten. Kanzler Friedrich Merz hatte schon frühzeitig klar gemacht, dass unter seiner Führung die berüchtigten „german votes“ - also die deutschen Enthaltungen bei Brüsseler Entscheidungen, weil die Regierungskoalition sich nicht einigen kann - der Vergangenheit angehören sollen. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft fordert die verantwortlichen Politiker:innen auf, den Verordnungsvorschlag der EU-Kommission komplett abzulehnen und einen neuen zukunftssicheren Vorschlag zu erarbeiten. Eine gentechnikfreie Lebensmittelerzeugung könne anderenfalls nicht gesichert werden.

Sollte Deutschland als bevölkerungsreiches EU-Mitglied seine bisherige Enthaltung im Rat aufgeben und für eine Kompromissregelung stimmen, wäre es wahrscheinlich, dass der Trilog mit einer Einigung über eine NGT-Verordnung enden würde. Schaut man sich die Terminplanung an, scheinen die beteiligten EU-Gremien optimistisch zu sein: Aktuell jagt ein Vorbereitungsformat das nächste und das vierte Trilogtreffen Anfang Dezember ist mit offenem Ende geplant – womöglich um die Chance zu geben, die letzten Streitpunkte auszuräumen. Danach sieht der Plan nur noch letzte Feinarbeiten am Gesetzestext vor. Welche Folgen es hätte, wenn der NGT-Entwurf ohne Kennzeichnungspflicht und weitere substantielle Änderungen Gesetz würde, hat die Interessengemeinschaft für gentechnikfreie Saatgutarbeit zusammengestellt. Ihr Fazit: Eine solche Verordnung würde „die gentechnikfreie Saatgutarbeit vor enorme Herausforderungen stellen und hohe Kosten verursachen“. Dies hätte auch gravierende Konsequenzen für den gesamten nachgelagerten Bereich, schrieb die IG Saatgut. Gemeint ist damit die ganze gentechnikfrei arbeitende Land- und Lebensmittelwirtschaft.  [lf/vef]

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