Die Kennzeichnungspflicht für NGT-Produkte entlang der Wertschöpfungskette ist einer der Knackpunkte im Trilog. Das EU-Parlament hatte mit knapper Mehrheit eine solche Pflicht beschlossen, die Mitgliedsstaaten und die EU-Kommission wollen lediglich Saatgut kennzeichnen. Unterschiedliche Auffassungen gibt es auch zur Patentierbarkeit von NGT-Pflanzen. Das Parlament will diese stark einschränken, Mitgliedsstaaten und Kommission sehen dafür keinen Grund.
Nach einer Auftaktsitzung am 6. Mai hatten die Unterhändler:innen in zehn technischen Meetings nach Kompromissen gesucht, wie die polnische Ratspräsidentschaft dem Agrarministerrat am Dienstag berichtete. Am kommenden Montag sollen dann in einer zweiten formellen Trilogsitzung die bisher gefundenen Kompromisse bestätigt „und weitere Kompromisse zu heikleren Punkten erzielt werden“, schrieb die Ratspräsidentschaft. Anfang Juli wollen die Polen dann den Ausschuss der Ständigen Vertreter über die Ergebnisse der Sitzung informieren. Der polnische Landwirtschaftsminister Czesław Siekierski gab sich auf der Ratssitzung optimistisch, den Trilog kommende Woche noch erfolgreich zu Ende zu führen. Aus den Wortmeldungen verschiedener Minister:innen wurde jedoch deutlich, dass sie mit einer Einigung erst im zweiten Halbjahr unter dänischer Ratspräsidentschaft rechnen. Sie sprachen Kennzeichung, Patente und nationale Anbauverboten (Opt-out) als noch zu klärende Punkte an. Dänemark selbst schreibt im Arbeitsprogramm für seine am 1. Juli beginnende Präsidentschaft, man wolle darauf hinarbeiten, die NGT-Verhandlungen abzuschließen.
Während in der EU hinter verschlossenen Türen verhandelt wird, weigert sich in Deutschland Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer weiterhin, zur NGT-Kennzeichnung und zur Patentierung von NGT eine klare Position zu beziehen. Am Mittwoch wich er in der Befragung der Bundesregierung einer direkten Frage des grünen Abgeordneten Karl Bär nach seiner persönlichen Haltung aus. „Warum sollen wir, wenn es in der Europäischen Union noch keine Entscheidung gibt, mit nationalen Entscheidungen schon vorgreifen“, antwortete der Minister und fügte hinzu, man werde sich „am Ende des Tages“ an „wissenschaftlichen Aussagen“ orientieren.
Was die Deutschen von ihrem Landwirtschaftsminister in Sachen Kennzeichnung erwarten, haben sie den Meinungsforschern von Civey gesagt. Diese hatten im Auftrag des Verbandes Lebensmittel ohne Gentechnik (VLOG) 5000 Menschen gefragt, ob Rainer sich auf EU-Ebene für eine NGT-Kennzeichnung einsetzen solle. Zwei Drittel der Befragten waren eindeutig für einen solchen Einsatz, zwölf weitere Prozent waren „eher dafür“. Eben soviele Teilnehmenden äußerten sich unentschieden. Gerade mal neun Prozent wollten keinen Einsatz für eine Kennzeichnung. „Das Umfrageergebnis ist ein klarer Auftrag an Minister Rainer, sich jetzt in Brüssel für eine weiterhin vollständige Gentechnik-Kennzeichnung auch für NGT einzusetzen“, kommentierte VLOG-Geschäftsführer Alexander Hissting das Ergebnis.
Eine klare Ansage bekam Minister Rainer auch zum Thema NGT-Patente – von einem durchaus ungewöhnlichen Bündnis aus acht Verbänden. Es sei „unerlässlich, eine umfassende Einschränkung der Patentierung biologischen Materials zur Pflanzenzüchtung, welches auch in der Natur vorkommt, vorkommen könnte oder zufällig entstanden ist, vorzunehmen“, heißt es in deren Positionspapier. Dies schließe „auch Produkte aus Verfahren der Genomeditierung“ mit ein. Getragen werden diese Aussagen vom Deutschen Bauernverband, dem Bundesverband Deutscher Milchviehhalter, dem Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter, dem Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft, Bioland, der Evangelischen Kirche in Deutschland sowie der Katholischen Landjugendbewegung und der Katholische Landvolkbewegung Deutschlands. „Der ungewöhnlich enge Schulterschluss von konventioneller und ökologischer Landwirtschaft, Züchtung und Kirchen zeigt, dass wir es hier mit einem der drängendsten Probleme im Agrarsektor zu tun haben“, kommentierte Bioland-Präsident Jan Plagge das Papier. Eine rechtssichere Lösung der Patente-Frage sei unabdingbar, um die europäische Landwirtschaft und Züchtung wirksam gegen die zunehmende Patentierung von Pflanzen- und Pflanzeneigenschaften durch Konzerne zu schützen.
Mit dem Abschluss des Trilogs wird sich zeigen, wie der dann gefundene Kompromiss zur NGT-Verordnung mit den Knackpunkten der Patente und der Kennzeichnung umgeht. Spätesten dann muss Deutschland im Agrarministerrat Farbe bekennen. [lf]