DNA-Modell der Ausstellung 'Genome: The Secret of How Life Works' im Jahr 2012 (Foto: George Bush Presidential Library and Museum, https://kurzlinks.de/01wr, creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0)

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Mehrheit für Gentechnik-Entwurf unter Mitgliedstaaten

Der im Trilog erzielte Entwurf einer EU-Verordnung über Pflanzen aus neuen gentechnischen Verfahren hat heute im Ausschuss der EU-Mitgliedstaaten die nötige Mehrheit erhalten. Das teilte eine Sprecherin der dänischen Ratspräsidentschaft dem Infodienst Gentechnik mit. Es war aber sehr knapp. Deutschland enthielt sich. Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD) bezeichnete die Entscheidung gegenüber dem Infodienst als "einen schweren Fehler".

„Die große Mehrheit der Menschen will selber entscheiden können, ob sie sich mit oder ohne Gentechnik ernähren“, weiß Schneider. „Falls das EU-Parlament diesen Fehler nicht noch korrigiert, wird es darum gehen, den Schaden für Deutschland zu begrenzen. Die Politik darf die landwirtschaftlichen Betriebe, die weiterhin gentechnikfrei produzieren wollen, jetzt nicht alleine lassen.“ Wie berichtet hatte sich auch Justizministerin Hubig gegen die vorgeschlagenen Regeln ausgesprochen. CDU-geführte Ministerien sind nach Medienberichten jedoch dafür gewesen. In diesem Fall muss sich Deutschland bei einer EU-Abstimmung enthalten. Der federführende Agrarminister Alois Rainer (CSU) hatte sich bislang bedeckt gehalten. Nachdem sie gefallen war, begrüßte er die Entscheidung: "Sie schafft klare Rahmenbedingungen für moderne Pflanzenzüchtung und eröffnet neue Chancen für mehr Nachhaltigkeit, Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit." 

Auch die dänische Ratspräsidentschaft glaubt, dass NGT-Pflanzen die Landwirtschaft nachhaltiger und widerstandsfähiger gegenüber dem Klimawandel machen. „Mit dieser Vereinbarung haben wir einen großen Schritt zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Agrar- und Lebensmittelsektors getan“, zitierte die Nachrichtenagentur dpa die Dänen. Sie haben heute ihr Ziel erreicht, den in den Trilogverhandlungen erzielten Kompromiss noch vor Ende ihrer Ratspräsidentschaft am 31. Dezember von den EU-Mitgliedstaaten absegnen zu lassen. Wie berichtet sieht er vor, dass fast alle Pflanzen, die künftig mit neuen gentechnischen Verfahren hergestellt werden, ohne Risikoprüfung, Zulassung und Kennzeichnung auf den Markt kommen dürfen. Auch dürfen sich die Hersteller ihre NGT-Pflanzen patentieren lassen. Damit können sie, anders als bei herkömmlich gezüchteten Pflanzen, verbieten, dass andere Züchtungsunternehmen mit diesen Pflanzen weiterzüchten. Die Folgen beschrieb Stefanie Sabet, Generalsekretärin des Deutschen Bauernverbandes so: „Die nun zu erwartende Monopolisierung von Pflanzeneigenschaften durch einzelne Unternehmen wird absehbar dazu führen, dass unsere Landwirte und kleine und mittelständische Züchter den Zugang zu wichtigem genetischem Material verlieren.”

Die Mehrheit unter den EU-Mitgliedstaaten war heute denkbar knapp. Neben Deutschland verweigerten nach Informationen der Kampagne Save our Seeds Belgien, Bulgarien, Kroatien, Österreich, Rumänien, Slovenien, die Slowakei und Ungarn die Zustimmung. Für die notwendige qualifizierte Mehrheit benötigten die Dänen 55 Prozent der 27 EU-Mitgliedstaaten, die zusammen 65 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten. Die elf Staaten, die dem Kompromiss zustimmten, sind genau 66,7 Prozent der EU-Länder mit 66,2 Prozent der EU-Bevölkerung. Hätte Griechenland (2,3 Prozent der EU-Bürger) die Pläne wie in der Vergangenheit abgelehnt, hätte es nicht zur qualifizierten Mehrheit gereicht. Unklar war bis zum Schluss auch, ob Frankreich zustimmen würde. Brüsseler Kreisen zufolge gelang es der EU-Kommission, die französischen Bedenken hinsichtlich der Patentierung von NGT-Pflanzen zu zerstreuen.

Im Januar wird nun der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments den Verordnungsvorschlag abschließend beraten. Stimmt er dem Text zu, ohne ihn zu verändern, wird die Verordnung in die Amtssprachen der EU übersetzt und muss anschließend noch einmal von den Mitgliedstaaten und dem Plenum des Parlaments bestätigt werden. Das kann in einem beliebigen Rat ohne weitere Aussprache geschehen. Die Abstimmung im EU-Parlament ist für den 9. März avisiert. Sind alle formellen Schritte abgeschlossen, wird die Verordnung im Amtsblatt der EU veröffentlicht und tritt 20 Tage später in Kraft. Nach einer Übergangszeit von zwei Jahren würden die Vorgaben dann angewandt – falls nicht der Europäische Gerichtshof mit Verweis auf das Vorsorgeprinzip und die Wahlfreiheit der Verbraucher:innen bis dahin die Verordnung kippt.

Die Biobranche und die gentechnikfreie Lebensmittelwirtschaft reagierten entsetzt: „Jetzt muss das Europaparlament die Gentechnik-Kennzeichnung retten. Es kann bei seiner Abstimmung Anfang 2026 den Gesetzvorschlag immer noch kippen“, erläuterte der Geschäftsführer des Verbandes Lebensmittel ohne Gentechnik, Alexander Hissting. Er verwies darauf, dass die Parlamentarier in ihrem 2024 beschlossenen Verhandlungsmandat gefordert hatten, die Gentechnik-Kennzeichnungspflicht beizubehalten sowie Patente auf Gentechnik-Pflanzen auszuschließen und dass beides im Widerspruch steht zum vorliegenden Vorschlag. Damals habe der Vorsitzende der EVP-Fraktion, Manfred Weber, abweichend von seiner Fraktion gegen eine Deregulierung gestimmt. Jetzt wird befürchtet, dass die EVP dem Kompromissvorschlag zusammen mit Liberalen und Teilen der Rechten im März zur Mehrheit verhelfen wird.

„Die Mitgliedstaaten haben damit auch gegen die Wünsche der Bürgerinnen und Bürger nach Transparenz über die Zusammensetzung ihrer Lebensmittel und gegen die Bedürfnisse der europäischen Land- und Lebensmittelwirtschaft entschieden“, kritisierte die Vorsitzende des Bundes ökologische Lebensmittelwirtschaft, Tina Andres, und forderte: „Die Abgeordneten des Europaparlaments müssen jetzt gegenhalten!“ Und Franziska Achterberg von Save our Seeds warnte: Mit ihrer Entscheidung ebneten die EU-Regierungen „Bayer-Monsanto, KWS & Co. den Weg, ihr patentiertes Saatgut in den Markt zu drücken – zulasten von Landwirtinnen und Landwirten sowie von unabhängigen Züchtern.“ [vef/lf]     

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