Protest gegen die Monsanto-Übernahme. Damals hielten die Aktionäre das noch für eine gute Idee. (Foto: Lode Saidane / Friends of the Earth Europe)

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Bayer-Vorstand: Noch ein Jahr auf Bewährung

Der Umsatz der Bayer AG ging 2024 zurück, der Konzern machte 2,5 Milliarden Euro Verlust, die Zahl der unerledigten Glyphosatklagen in den USA steigt wieder. Der Aktienkurs hat sich seit dem Amtsantritt von Bill Anderson als Vorstand vor zwei Jahren halbiert. Wichtige Investoren kritisierten dessen Arbeit auf der Hauptversammlung des Konzerns massiv und machten deutlich, dass Anderson in diesem Jahr endlich liefern muss.

Das Finanzjournal ftd.de überschrieb seinen Vorbericht zur diesjährigen Hauptversammlung des Bayer-Konzerns mit: „Andersons Endgegner heißt Glyphosat“. Das trifft in zweierlei Hinsicht zu. Zum einen zieht die vor allem aus der Tochter Monsanto bestehende Agrarsparte Crop Science den Konzern weiter nach unten. Sie büßte im operativen Geschäft eine Milliarde Euro Umsatz ein, vor allem in Lateinamerika. Zusätzlich musste die Sparte erneut 4,4 Milliarden Euro an Wertberichtigungen vornehmen und drückte dadurch, wie schon im Vorjahr, das Konzernergebnis ins Minus. Statt Umsatz und Profit zu steigern, produziere Bayer Crop Science überwiegend Stagnation und Gewinnwarnungen, schrieb das Manager Magazin im März zur Veröffentlichung des Jahresabschlusses für 2024. „Eine gewisse Trägheit in den Entwicklungslaboren ist ganz offensichtlich ein gravierender Teil des Problems“ schrieb das Magazin. „Die Menge an marktfähigen Saatgutsorten und Pflanzenschutzchemikalien, die aus dem gegenwärtig 2,6 Milliarden Euro schweren Forschungs- und Entwicklungsetats hervorgehen, bleibt deutlich hinter den Erwartungen der Konzernspitze in Leverkusen zurück“. Als Konsequenz trenne sich der Konzern von Crop Science Entwicklungsleiter Bob Reiter – dem letzten Vertreter der alten Monsanto-Garde.

Noch schlimmer für Anderson ist aus Sicht der Aktionäre, dass er die mit Monsanto eingekauften Glyphosatklagen in den USA nicht in den Griff bekommt. Im Gegenteil, es werden immer mehr. Ende 2023 waren es 167.000 Klagen, von denen 113.000 abgehakt waren. Zum Stichtag 31. Januar 2025 lagen 181.000 Klagen vor, von denen 114.000 erledigt waren. Noch immer stehen 5,7 Milliarden Euro Rückstellung für die offenen Verfahren in der Bilanz. Nach wie vor hofft Anderson auf Schützenhilfe des Supreme Court, des obersten US-Gerichts. Dort habe der Konzern vor drei Wochen einen Prüfungsantrag eingereicht, teilte derBayer-Chef auf der Hauptversammlung mit. Der Hintergrund: Die meisten Glyphosat-Kläger:innen argumentieren, dass der Konzern das Krebsrisiko gekannt, aber nicht davor gewarnt habe. In bisher zwei Berufungsverfahren bekamen die Klagenden Recht, mit Verweis auf die jeweiligen Regelungen des US-Staates, in dem geklagt wurde. Ein Berufungsgericht wies die Argumentation zurück und entschied, dass eine solche Warnung nach Bundesrecht nicht zulässig sei. Nun soll nach den Vorstellungen Andersons der Supreme Court die Streifrage klären – möglichst im Sinne Bayers. Gleichzeitig lobbiert der Konzern dafür, dass im nationalen Agrargesetz die (positive) Bewertung von Glyphosat durch die US-Umweltbehörde EPA so festgeschrieben wird, dass sie weitere Klagen unmöglich macht. Über 100 zivilgesellschaftliche Organisationen von beiden Seiten des Atlantiks, koordiniert von Corporate Europe Observatory, forderten den Vorstand auf, „die Bemühungen um ein Immunitätsgesetz für Glyphosat in den USA“ einzustellen.

Ob sich mit einem solchen Gesetz allerdings die laufenden Verfahren erledigen lassen, ist unklar. „Am Ende könnte Bayer gezwungen sein, die jetzt anhängigen Klagen mit einem neuen, milliardenschweren außergerichtlichen Vergleich aus dem Weg zu schaffen, heißt es in Rechtskreisen in den USA“, schrieb das Handelsblatt. Der Konzern selbst ließ sich auf der Hauptversammlung die Option genehmigen, bis zu sieben Milliarden Euro an neuen Aktien auszugeben, um einen möglichen Vergleich zu finanzieren. Gleichzeitig thematisierte Anderson auf einen Ausstieg aus der Glyphosatproduktion: „Wir kommen langsam an einen Punkt, an dem uns die Klageindustrie zwingen könnte, die Vermarktung dieses systemkritischen Produktes einzustellen. Das wollen wir nicht, aber wir müssen uns auf alle möglichen Entwicklungen vorbereiten“, sagte er auf der Hauptversammlung. Doch auch das würde keine Klagen verhindern, die sich auf bestehende Krebsfälle durch Glyphosatnutzung beziehen.

Die Lage bei Bayer führte zu massiver Kritik der Investoren an Anderson. „Die Bilanz Ihrer Amtszeit sieht verheerend aus“, sagte etwa Ingo Speich für Deka Investment, die Fonds-Tochter der Sparkassen. Dennocht stimmten die Vertreter:innen der großen Fondsgesellschaften der Kapitalerhöhung zu und entlasteten den Vorstand – womöglich zum letzten Mal: „Wenn Sie weiterhin auf der Stelle treten, werden wir bei der nächsten Hauptversammlung grundsätzlichere Fragen stellen müssen“, drohte Speich laut Manager Magazin. So kam Anderson trotz der miesen Zahlen auf 95 Prozent Entlastung.

Gegen eine Entlastung stimmten zahlreiche Vertreter:innen kritischer Aktionäre und zivilgesellschaftlicher Gruppen. Sie thematisierten in ihren Beiträgen auf der Hauptversammlung den Abbau von 7.000 Arbeitsplätzen ebenso wie die Pestizid-Nebenwirkung Parkinson und das besondere Gefährdungspotenzial von Ackergiften, deren Abbauprodukte zu den fluorhaltigen Ewigkeitschemikalien (PFAS) gehören. Denn auch die produziert Bayer, etwa das Fungizid Fluopyram. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft forderte für mit neuen gentechnischen Verfahren (NGT) veränderte Pflanzen, an denen auch Bayer arbeitet, „einen Haftungsfonds, aus dem dann für Schäden bei Gesundheit, Umwelt oder wirtschaftlichen Schäden gezahlt wird, entsprechend des Verursacherprinzips“. [lf]

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