Entwickelt haben die beiden Reissorten Wissenschaftler*innen am staatlichen Agrarforschungszentrum ICAR. Die Sorte DRR Rice 100 (Kamala) soll mehr Körner pro Ähre aufweisen und 20 Tage schneller reifen. Dadurch ließen sich Dünger und Wasser einsparen und der Ausstoß an Methan reduzieren, erklärte das ICAR. Gleichzeitig soll die NGT-Sorte 19 Prozent mehr Ertrag liefern. Dafür hatten die Forschenden mit dem Verfahren Crispr/Cas9 ein Gen namens OsCKX2 verändert. Es regelt den Gehalt des für Wachstum und Entwicklung wichtigen Hormons Cytokinin. Die zweite Sorte, Pusa DST Rice 1, soll auf salzigen Böden und bei Dürren rund 20 Prozent bessere Erträge liefern. Dafür wurde ein Gen abgeschaltet, das die Pflanze anfälliger für solche Stressbedingungen macht. Beide Entwicklungen beruhen auf gängigen, bei Kleinbauern beliebten Sorten und sollen bereits in Feldversuchen in verschiedenen Regionen getestet worden sein.
Bei der Präsentation der beiden Sorten betonte Indiens Landwirtschaftsminister Shivraj Singh Chouhan, Indien sei das erste Land, das in Feldversuchen getestete geneditierte Reissorten vorstelle. Er sprach von einem „historischen Meilenstein“ und einer „zweiten grünen Revolution“. Im Haushalt 2023/2024 habe Indien rund 60 Millionen Euro für die Genomeditierung von Nutzpflanzen bereitgestellt, Geforscht werde neben Reis auch an Ölsaaten und Hülsenfrüchten. Während die indische Regierung der klassischen Gentechnik in Lebensmitteln kritisch gegenübersteht setzt Premierminister Nahendra Modi auf neue gentechnische Verfahren. Sie sollen Indiens Aufstieg als Industrie- und Hightechland deutlich machen und die Ernährung des bevölkerungsreichsten Landes der Erde sichern. Dazu passt es, dass die meisten genomeditierten Pflanzen in Indien 2022 aus dem Gentechnikrecht herausgenommen wurden. Auch die beiden vorgestellten Reissorten hätten von der zuständigen Behörde bereits ihre Freistellung erhalten, schrieb die Times of India. Nun müsse ICAR noch die Patentrechte abklären, bevor die Reissorten vermarktet werden könnten. Die Times of India schätzt, dass kommerzielles Saatgut für den Anbau in zwei Jahren zur Verfügung stehen dürfte.
Die Koalition für ein gentechnikfreies Indien dagegen hat die Regierung aufgefordert, die zwei Sorten zurückzuziehen und das Risiko von NGT-Pflanzen nach Gentechnikrecht zu bewerten. Die beiden Sorten hätten „das Potenzial, den Menschen zu schaden, irreversible Umweltschäden zu verursachen, und sie bedrohen unsere Saatgutsouveränität.“ schrieb die Koalition. Sie verwies auf die nachgewiesenen unerwünschten Nebenwirkungen von Erbguteingriffen mit Crispr/Cas insbesondere bei Reis und kritisierte, dass ICAR bisher keine Sicherheitsuntersuchungen der beiden Sorten veröffentlicht habe. Zudem bedrohe die Freisetzung der Crispr-Reissorten die heimische Vielfalt an gentechnikfreien Reissorten und gefährde indische Reisexporte, schrieb die Koalition. Außerdem seien NGT-Verfahren wie Crispr/Cas mit Patenten belegt, die Indiens Landwirtschaft in neue Abhängigkeiten brächten. Das Magazin Down to Earth berichtete, dass ICAR und die indische Regierung die Patentfrage unterschätzt hätten.
Die Koalition verweist auch auf ein Urteil des höchsten indischen Gerichts aus dem Sommer 2024. Das hatte damals die indische Regierung aufgefordert, eine nationale Strategie zum Umgang mit Agro-Gentechnik zu entwickeln und dabei alle Beteiligten mit einzubeziehen. Jetzt mit zwei gen-editierten Reissorten vorzupreschen sei eine Mißachtung dieser Entscheidung, kritisierte die Koalition für ein gentechnikfreies Indien. Die Tageszeitung The Hindu berichtete, dass ein Vertreter der Landwirte im Leitungsgremium der ICAR die Präsentation der beiden Reislinien als verfrüht und irreführend kritisiert und von einer geschönten Pressemitteilung gesprochen habe. Er wurde laut The Hindu daraufhin aus dem Leitungsgremium ausgeschlossen. [lf]