Wissenschaftler:innen des John Innes Centre unter Leitung der Professorin Cathie Martin haben eine Tomatenpflanze entwickelt, die in ihren Früchten und Blättern hohe Konzentrationen an 7-Dehydrocholesterin (7-DHC) enthält. Diese Substanz wird auch Provitamin D3 genannt, weil sich daraus Vitamin D3 entwickelt, wenn sie mit ultraviolettem Licht – etwa der Sonne – bestrahlt wird. Erreicht haben die Forschenden diese hohe Konzentration, indem sie mit dem neuen gentechnischen Verfahren (NGT) Crispr/Cas ein Gen in der Tomate abschalteten. Dieses Gen sorgt ansonsten dafür, dass die Pflanze ein Enzym produziert, das 7-DHC zu anderen Pflanzenstoffen umbaut.
Im Mai 2022 hatte das John Innes Centre seine Vitamin D–Tomate erstmals öffentlich vorgestellt. Inzwischen konnten die Forschenden laut BBC rund eine halbe Tonne Tomaten ernten, zu Mus verarbeiten und einfrieren. Daraus soll nun Tomatensuppe für den ersten Test an Menschen hergestellt werden. Durchführen wird diese als ViTal-D bezeichnete Studie das ebenfalls in Norwich ansässige Quadram Institute. Es sucht dafür 76 Teilnehmende mit einem niedrigen Level an Vitamin D im Blut. Sie werden in vier Gruppen aufgeteilt, die alle drei Wochen lang täglich eine Portion Tomatensuppe zusätzlich zu ihrem normalen Speiseplan erhalten. Eine Gruppe bekommt Suppe aus den mit 7-DHC angereicherten Tomaten. Bei der zweiten Gruppe wurden diese Tomaten vor der Ernte zusätzlich mit UV-Licht bestrahlt, so dass die Früchte bereits etwas Vitamin D enthalten. Die beiden anderen Gruppen bekommen herkömmliche Tomatensuppe, einmal mit einem gängigen Vitamin D-Zusatz und einmal ohne Nahrungsergänzung.
Vier mal in den drei Wochen werden von den Teilnehmenden Blutproben genommen. Ein UV-Tracker soll bei jeder Person messen, wieviel Sonnenstrahlung sie in diesen drei Wochen abbekommt. Denn der menschliche Körper kann beim Sonnenbaden selber Vitamin D herstellen, was das Ergebnis beeinflussen könnte. Für die Teilnahme an der Studie gibt es Fahrtgeld und 75 britische Pfund, das entspricht 86 Euro. „Unser Ziel ist es, herauszufinden, ob diese gentechnisch angereicherten Tomaten den Nährstoffbedarf decken und dazu beitragen können, die vielfältigen Gesundheitsprobleme zu bekämpfen, die mit einem Vitamin D-Mangel einhergehen“, sagte Martin Warren, der Studienleiter bei Quadram. Erste Ergebnisse sollen laut Studienbeschreibung im Frühjahr 2027 vorliegen. Gegenüber BBC sagte Cathie Martin vom John Innes Centre, sie hoffe, in drei Jahren ein Produkt auf den Markt bringen zu können.
Claire Robinson von GMWatch wies darauf hin, dass es sich bei der Studie nicht um eine Studie zur Lebensmittelsicherheit handle. Getestet würde nicht, wie sich der Verzehr der NGT-Tomaten auf die Gesundheit der Probanden auswirke. „Es handelt sich um eine Wirksamkeitsstudie, in der Wissenschaftler den Vitamin-D-Spiegel im Blut nach dem Verzehr von Mahlzeiten mit gentechnisch veränderten Tomaten messen“, schrieb Robinson. Die Studie sei mit Blick auf das Marketing konzipiert worden und nicht aus Vorsicht gegenüber der menschlichen Gesundheit. Pat Thomas von Beyond GM sagte gegenüber BBC, die Studie erfülle nicht das, was in diesem Fall notwendig wäre, nämlich eine Fülle an Vorsichtsmaßnahmen. Sie kritisierte auch, dass Produkte aus diesen Tomaten in England künftig ohne Kennzeichnung und Risikoüberprüfung vermarktet werden dürften. Beyond GM hat deshalb zusammen mit anderen Organisationen Klage gegen das entsprechende Gesetz eingereicht, das im Frühjahr 2025 beschlossen worden war. [lf]