In Großbritannien heißen neue gentechnische Verfahren „precision breeding“, also Präzisionszüchtung. Im März 2023 verabschiedete das Parlament das Genetic Technology (Precision Breeding) Bill, was sich als Gesetz zur gentechnischen Präzisionszüchtung übersetzen lässt. Es betrifft alle Pflanzen und Tiere, die mit neuen gentechnischen Verfahren (NGT) so verändert wurden, wie es auch durch herkömmliche Züchtung oder Mutationen passieren könnte. Wer solche Pflanzen zu Forschungszwecken im Freien anpflanzen will, muss dies zuvor nur noch bei einer Behörde anmelden. Um NGT-Pflanzen kommerziell anbauen zu dürfen, braucht es zudem eine amtliche Bestätigung. Die Bestimmungen gelten lediglich in England, da Schottland und Wales der Anwendung widersprochen haben. Das Gesetz ließ viele Details, etwa zu Antragsunterlagen oder deren Bewertung offen. Diese wurden jetzt mit einer vom Umwelt- und Landwirtschaftsministerium zusammen mit der Lebensmittelbehörde FSA erarbeiteten Verordnung geregelt, den Genetic Technology (Precision Breeding) Regulations 2025. Das britische Unterhaus hatte die Verordnung ohne weitere Debatte angenommen. Im Oberhaus hatte der für solche Verordnungen zuständige Ausschuss für nachgeordnete Gesetzgebung (Secondary Legislation Scrutiny Committee) die Vorlage massiv kritisiert. Die Mehrheit der Lords stimmte dennoch zu.
Der Ausschuss hatte zahlreiche Kritikpunkte aufgegriffen, die im Rahmen einer öffentlichen Konsultation zu der Verordnung von zivilgesellschaftlichen Organisationen eingebracht worden waren. „Insbesondere wurden Bedenken geäußert, dass es keine Kennzeichnungsvorschriften gibt, obwohl die Verbraucher offensichtlich eine obligatorische Kennzeichnung von Erzeugnissen aus Präzisionszüchtung wünschen, und sich der neue Regelungsansatz auf den Handel und den ökologischen Landbau auswirkt“, heißt es im Ausschussbericht. Und weiter: „Es ist wichtig, dass die Verbraucher in der Lage sind, auf einfache Weise klare und nichttechnische Informationen über Lebensmittel zu erhalten, die Pflanzen aus Präzisionszüchtung enthalten.“ Die Regierung hatte eine Kennzeichnung mit dem Hinweis abgelehnt, dass entsprechende Anträge bereits bei der Beratung des Gesetzes 2023 keine Mehrheit gefunden hätten. Stattdessen sieht das Gesetz zwei öffentliche Register vor, eines für die anerkannten NGT-Pflanzen und eines für daraus hergestellte Lebensmittel, die vermarktet werden dürfen.
Das Landwirtschaftsministerium hatte unter Berufung auf eine in Auftrag gegebene Umfrage behauptet, die Mehrheit der Verbraucher:innen hätte nichts gegen NGT-Lebensmittel, weigerte sich aber, die Umfrage zu veröffentlichen. Dann sollte das Ministerium die Umfrage auch nicht verwenden, um strittige politische Entscheidungen zu rechtfertigen, kritisierte der Ausschuss. Er bemängelte auch die mangelhafte Abschätzung der Folgen insbesondere für den Biosektor, für Exporte in die EU sowie für Schottland und Wales, in denen NGT-Pflanzen weiterhin wie die klassische Gentechnik reguliert sind. Das britische Landwirtschaftsministerium teilte dem Ausschuss mit, dass die EU eine ähnliche Regelung wie England anstrebe. Bis dahin aber würden Präzisionszüchtungen aus England wie klassische Gentechnik behandelt und müssten dort alle entsprechenden Anforderungen erfüllen. Sprich: Sie bräuchten für die Einfuhr in die EU eine Zulassung durch die EU.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die fehlende Risikoabschätzung. Zwar müssen Unternehmen bei der Anmeldung einer NGT-Pflanze auch mitteilen, was sie unternommen haben, um unerwünschte Nebeneffekte des gentechnischen Eingriffs aufzuspüren und zu reparieren. Für die Vermarktung als Lebensmittel muss der Antragsteller belegen, dass sich Nährwertzusammensetzung und Allergenität nicht negativ verändert haben. Doch diese Angaben werden von der zuständigen Behörde nur entgegengenommen. Die Organisation Beyond GM schrieb, das System basiere „auf Selbstzertifizierung“, arbeite mit einer „offensichtlichen Genehmigungsvermutung“ und enthalte nur „begrenzte Beurteilungspflichten“. GMWatch wies noch auf eine Regelung hin, die es den Behörden sogar ausdrücklich untersagt, eigene Ermittlungen anzustellen oder Studien zu verlangen. Die Organisation kritisierte auch die Formulierung, wonach der zuständige Minister eine Vermarktung erlauben kann, wenn er „der Ansicht ist“, dass die Bedingungen erfüllt sind. Diese schwache Formulierung erlaube es dem Minister, sogar gegen den Rat der Fachleute bedenkliche NGT weiter auf dem Markt zu lassen. Angewandt werden sollen die neuen Regeln ab November 2025, da die Verordnung zuerst noch bei der Welthandelsorganisation WTO notifiziert werden soll. [lf]