Gericht Justiz
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Urteil: US-Umweltbehörde muss Glyphosat-Risiken neu bewerten

22.06.2022

Schlechte Zeiten für die Bayer AG: Ein amerikanisches Berufungsgericht hat am Freitag eine vorläufige Zulassung des Unkrautvernichters Glyphosat durch die US-Umweltbehörde EPA wegen "gravierender Fehler" teilweise annulliert. Gestern hat das oberste Gericht der USA, der Supreme Court, dann eine Beschwerde des Chemiekonzerns gegen ein Schadenersatzurteil für einen krebskranken Glyphosat-Nutzer abgewiesen. Beides Gift für die Aktien der Monsanto-Mutter, die sich aber noch nicht geschlagen geben will.

Das Bundesberufungsgericht in Kalifornien kam zu dem Ergebnis, die EPA habe schwerwiegende Fehler gemacht, als sie die Risiken von Glyphosat für die menschliche Gesundheit bewertete. Das gelte vor allem für Krebserkrankungen, schrieb Richterin Michelle Friedland im Urteil. Obwohl die EPA selbst festgestellt hatte, dass sich bestimmte Krebsrisiken anhand der ihr vorliegenden Daten nicht abschließend bewerten ließen, hatte die US-Behörde 2020 entschieden, dass Glyphosat „wahrscheinlich nicht krebserregend“ sei. Das sei mit dieser Begründung nicht haltbar, entschieden die insgesamt drei Richter einstimmig. Geklagt hatten das Pestizid-Aktionsnetzwerk Nordamerika und andere Nichtregierungsorganisationen.

Sie hatten ferner moniert, die EPA habe nicht ausreichend untersucht, wie sich das Pflanzengift auf bedrohte Arten auswirke. Hier vermissten die Richter die nach dem Artenschutzrecht vorgeschriebenen Folgenabschätzungen. Wie eine Sprecherin der Nachrichtenagentur dpa sagte, werde die EPA ihre Glyphosat-Entscheidung überprüfen. Sie hat dafür noch bis 1. Oktober 2022 Zeit. Der Bayerkonzern ist nach dpa-Informationen zuversichtlich, dass die EPA wieder genauso entscheiden wird. Für den Chemieriesen ist das auch deshalb bedeutsam, weil er in den USA noch mindestens 30.000 Schadenersatzklagen krebskranker Glyphosatnutzer parieren muss (der Infodienst berichtete). Dabei argumentierten seine Anwälte regelmäßig damit, dass die EPA und andere Behörden das Pflanzengift nicht für krebserregend halten.

Um die Klageflut zu stoppen, will der Bayerkonzern das oberste US-Gericht bewegen, Schadenersatzurteile der unteren Instanzen zu kippen. Deshalb hat er gegen bisher zwei der Glyphosaturteile beim Supreme Court Beschwerde eingereicht. Im Fall des krebskranken Rentners Edwin Hardeman hat es das Gericht gestern abgelehnt, die nach Bayers Argumentation übergeordnete Rechtsfrage zu klären, ob das nationale Recht dem Konzern möglicherweise verbietet, auf seinen Spritzmitteln vor einer Krebsgefahr zu warnen. Hardeman sind seine gut 25 Millionen Dollar Schadenersatz jetzt sicher. Die Entscheidung hatte sich bereits abgezeichnet, da die Anwältin der US-Regierung (Solicitor General) dem obersten Gericht auf Anfrage empfohlen hatte, nicht über die Bayer-Beschwerde zu entscheiden. Damit hatte sich die Regierung Biden deutlich von Vorgänger Trump abgesetzt.

„Wir fühlen uns durch den intensiven Zuspruch von Amtsträgern, Landwirtschaftsverbänden und anderen Interessensgruppen nach der rechtlichen Kehrtwende der US-Regierung bestärkt“, insistierte Bayer nach dem Urteil. Zuvor hatten führende Republikaner aus Repräsentantenhaus und Senat die Regierungsanwältin aufgefordert, ihre Empfehlung zurückzuziehen, berichtete das Portal E&E News. Da das Agrarministerium nicht in die Entscheidung einbezogen gewesen sei, wollte das "House Oversight and Reform Committee", eine Art ständiger Untersuchungsausschuss des Repräsentantenhauses, den Vorgang prüfen - offenbar ohne Erfolg. Dass der Supreme Court sich noch mit dem Schadenersatzurteil zugunsten des Ehepaars Pilliod befassen wird, das Bayer ebenfalls eingereicht hat, halten Experten für unwahrscheinlich. Bekanntgegeben wird die Entscheidung voraussichtlich in der kommenden Woche.

Einstweilen verweist der Monsanto-Mutterkonzern darauf, dass er die jüngsten vier Gerichtsprozesse zu seinem glyphosathaltigen Unkrautvernichter Roundup™ (Kläger waren Clark, Stephens, Shelton und Johnson) gewonnen hat. Im Übrigen sei das Unternehmen dank seines vor einem Jahr vorgestellten 5-Punkte-Plans auf alle Eventualitäten vorbereitet. So hat Bayer 6,5 Milliarden US-Dollar beiseitegelegt, um sich mit künftigen Klägern außergerichtlich zu einigen, wo das dem Konzern aussichtsreich erscheint. Außerdem will er ab 2023 Privatanwendern, die die große Mehrheit der Klagenden ausmachen, keine Unkrautvernichtungsmittel mit dem Wirkstoff Glyphosat mehr verkaufen. Das boomende Geschäft mit den Landwirten will Bayer sich aber auch künftig nicht entgehen lassen. [vef]

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