Raps
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Brüssel vs. Berlin: Gentechnik oder nicht?

29.06.2015

Bei einigen neuen Verfahren der Pflanzenzüchtung ist nicht klar, ob sie rechtlich als Gentechnik eingestuft werden oder nicht. Schon im Februar bescheinigte eine deutsche Behörde jedoch einer Firma, die herbizid-resistenten Raps auf den Markt bringen will: ihr Produkt sei nicht gentechnisch verändert. NGOs kritisierten das scharf. Nun hat auch die EU reagiert. In einem Brief forderte sie alle nationalen Behörden auf, ihre Einschätzung abzuwarten. Eine Freisetzung von Gentechnik-Organismen ohne vorherige Zulassung sei „illegal“.

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), der das Schreiben der EU-Kommission an die Mitgliedstaaten vorliegt, sieht sich in ihrer Kritik bestätigt. Zusammen mit anderen NGOs hatte sie das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) aufgefordert, den Bescheid von Februar zurückzunehmen. Das Amt hatte der Firma Cibus per Brief bescheinigt, dass ihre Rapspflanzen „keine gentechnisch veränderten Organismen i.S.d. Gentechnik-Gesetzes darstellen“.

Cibus bearbeitet den Raps per Oligonukleotid-gesteuerten Mutagenese (OgM), eine von zahlreichen neuen Techniken, die aus Sicht von Umweltverbänden als Gentechnik definiert werden müssten. Dabei werden künstlich hergestellte DNA-Schnipsel eingeführt, die einen natürlichen Reparaturmechanismus der Zellen auslösen. So entstehen bestimmte Veränderungen am Erbgut. Der Cibus-Raps beispielsweise ist resistent gegen ein Unkrautvernichtungsmittel – wie auch die meisten „klassischen“ Gentechnik-Pflanzen.

„Die EU-Kommission schreibt jetzt, dass die Freisetzung von Pflanzen, die mithilfe von Oligonukleotiden hergestellt wurden, bis auf Weiteres möglichst zu unterlassen sei“, so AbL und weitere Organisationen wie Save Our Seeds (SOS) oder die Bio-Verbände Demeter, Bioland und Naturland. Sie befürchten, dass der herbizidresistente Raps sich unkontrolliert ausbreiten könnte.

„Es zeigt sich, dass das BVL hier Partei ergriffen hat, um zugunsten der Industrie Fakten zu schaffen“, kritisierte Annemarie Volling von der AbL. „Landwirtschaftsminister Schmidt, der die Dienstaufsicht hat, muss dafür sorgen, dass der BVL-Bescheid aufgehoben wird.“ Auch der Grünen-Parlamentarier Harald Ebner begrüßte das Eingreifen der EU. Er warnte vor den Folgen eines herbizidresistenten Raps-Anbaus: „Die Erfahrungen in den USA und Südamerika zeigen, wohin das führt: Kranke Menschen und Tiere, resistente Unkräuter – und deshalb immer noch mehr und noch stärkeres Gift auf den Äckern.“

Die EU-Kommission will sich bis Ende des Jahres zu den Neuen Techniken äußern. Doch auch dann könnten juristische Fragen offen bleiben. Denn Brüssel will offenbar nur eine Empfehlung abgeben, wie die Organisation Corporate Europe Observatory mitteilte. Wenn die Mitgliedstaaten dann zu einem anderen Urteil kämen, müsse der EU-Gerichtshof entscheiden. [dh]

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