Campact Bienensterben Aktion
Monokulturen und Pestizide setzen den Bienen zu, am 19. Januar wird deshalb eine andere Agrarpolitik eingefordert (Foto: Campact)

Interview zu Bienensterben: Milben und Pestizide

09.01.2013

Nicht erst seitdem der Dokumentarfilm „More Than Honey“ im Kino läuft, wird über das weltweite Phänomen des Bienensterbens diskutiert. Das Problem ist gravierend, denn ohne Bienen würde die Landwirtschaft zusammenbrechen. Der Vorsitzende des Imkerverbandes Mellifera, Thomas Radetzki, spricht im Interview mit campact.de über die Hintergründe.

Campact.de (C): „Herr Radetzki, warum sterben die Bienen?“

Thomas Radetzki (TR): „Bevor ein Volk kollabiert, wurde es oftmals schon durch verschiedene Faktoren geschwächt. Die eigentlichen Ursachen sind häufig nicht eindeutig zu klären. Neben der Varroamilbe ist die industrielle Agrarproduktion mit ihren Pestiziden und Monokulturen die Hauptbelastung für die Gesundheit der Bienen. In den dramatisch zunehmenden Monokulturen wie Mais verhungern unsere Bienen sogar.“

C: „Wie viele Völker sind in Europa schon tot oder gefährdet?“

TR: „Das kann niemand mehr zählen! Seit Jahren sind Völkerverluste von bis zu 50% über Winter keine Seltenheit mehr. Lokal kommt es auch zu Totalverlusten. Das ist ein weltweites Problem.“

C: „Warum sind Pestizide für Bienen giftig? Wie wirken sie auf die Bienen?“

TR: „Das Hauptproblem sind Insektizide, eine Untergruppe der Pflanzenschutzmittel. Sie werden regelmäßig eingesetzt, um Insekten zu töten. Da Bienen auch Insekten sind, gibt es versteckte, aber nicht minder gefährliche Schäden und Vergiftungen. So sind im Rheintal im Jahr 2008 mehr als 11.000 Völker in kürzester Zeit zugrunde gegangen. Ursache war das Nervengift Clothianidin, mit dem Saatgut von Mais behandelt wurde. Der Wirkstoff gehört zu einer neuen Gruppe von Insektiziden, den Neonicotinoiden, die hochgiftig sind, aber den Bienen angeblich nicht schaden sollen. Der Wirkstoff Imidacloprid z.B. ist 7.297-mal giftiger als das Insektizid DDT! Sogar in kleinsten Mengen können diese Gifte zu Störungen des Verhaltens, der Kommunikation und der Orientierung führen. Bienen finden dann nicht mehr in den heimischen Stock zurück. Imker und Naturschutzverbände fordern ein Verbot dieser Mittel.“

C: „Was hat die Varroamilbe mit dem Bienensterben zu tun?“

TR: „Die Varroamilbe wurde durch Globalisierung aus Asien eingeschleppt und schädigt Bienenbrut und erwachsene Tiere. Unsere westlichen Honigbienen haben in der Evolution keine Abwehrmechanismen entwickelt. Die Bienenvölker sterben jedoch meist an den Viren, die in die Bienenbrut eindringen, wenn die Milben Blut saugen. Und die Viren haben ein leichtes Spiel, wenn der Organismus ohnehin geschwächt ist. Es gilt also, die Bienen insgesamt zu stärken – durch ein vielfältiges und reiches Blütenangebot und möglichst stressfreie Bienenhaltung.“

C: „Wenn Bienen sterben, welche Lebensmittel sind gefährdet, weil sie von der Bestäubung abhängen?“

TR: „Vor allem Obst und Gemüse sind betroffen. Ohne Bienen fehlen die wichtigsten Bestäuberinnen aber auch bei Wildpflanzen, von deren Früchten und Samen sich Kleinsäuger, Reptilien, Vögel und andere ernähren. Wir können zwar Honig importieren, aber keine Bestäubung!“

C: „Sind die Imkerbetriebe gefährdet?“

TR: „Ja, selbst erfahrene Familienbetriebe kann es trotz bester fachlicher Praxis treffen. Für einen Wirtschaftsbetrieb können solche Verluste existenziell werden. Die Zahl der Freizeitimker, welche die meisten Bienenvölker in Deutschland betreuen, ging auch wegen des Bienensterbens jahrelang zurück. Inzwischen gibt es zwar eine Trendwende, aber trotzdem ist die Imkerschaft mit einem Durchschnittsalter von etwa 58 Jahren völlig überaltert.“

C: „Was würden die jetzt in der EU diskutierten „ökologischen Vorrangflächen“ ändern?“

TR: „Im intensiven, konventionellen Anbau werden die Felder immer größer und der Fruchtwechsel geringer. Die Monokulturen sind nur mit Chemie möglich. Aus den Wiesen verschwinden Artenvielfalt und Blüten wegen der Überdüngung und häufigem Mähen. Diese Industrialisierung der Landwirtschaft hat die EU mit ihren Subventionen jahrzehntelang gefördert. Der neue Vorschlag der Kommission wäre ein Schritt in eine neue, ökologischere Subventionspolitik. Wenn auf jedem Betrieb ein kleiner Anteil der Fläche als ökologische Vorrangfläche bewirtschaftet wird, entsteht ein europaweites Netz an Flächen, in denen das durch die Agrarproduktion verursachte Artensterben verlangsamt wird. Das hilft Bienen, Vögeln und vielen anderen bedrohten Arten.“

C: „Was muss sich an der Art der Landwirtschaft ändern, damit die Bienen eine Zukunft haben?“

TR: „Wir brauchen eine bäuerliche, möglichst ökologische Landwirtschaft mit vielgliedrigen, auch blühenden Fruchtfolgen und ohne Massentierhaltung. Um das Bienensterben zu stoppen, muss eben auch das Bauernsterben gestoppt werden. Grünlandumbruch zur Gewinnung von nachwachsenden Rohstoffen und Energie muss unterbunden werden. Gefährliche Agrargifte haben weder in der Nahrung der Bienen noch in der der Menschen etwas zu suchen. Das Maximum an Ertrag ist nicht das Optimum, es ist destruktiv für alle. Wenn es Bienen, Hummeln & Co. gut geht, geht es auch dem Menschen gut.“

C: „Danke, Herr Radetzki.“

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Vielen Dank an campact.de für die Erlaubnis, das Interview abzudrucken. Das Original, einen Appell an Agrarministerin Ilse Aigner und Informationen zu einer Aktion vor dem Kanzleramt am 16. Januar finden Sie hier: https://www.campact.de/bienensterben/

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