Baumwolle & Gentechnik

Dossier

Gentechnik-Baumwolle

Gentechnisch veränderte Pflanzen dominieren im Baumwoll-Business. Über Auswirkungen auf Landwirte und Umwelt wird in Wissenschaft und Politik heftig gestritten.

Baumwolle - eine gefragte Faser

Fühlt sich gut an auf der Haut! Da Baumwolle so beliebt ist und sich alle darin einhüllen wollen, wird die Baumwoll-Pflanze auf 2,5% der weltweiten landwirtschaftlichen Nutzfläche angebaut. Meist in den USA, in Indien oder China. Die Folgen für die Umwelt sind oft katastrophal. Der Baumwollanbau verschlingt unglaubliche Mengen an Wasser. Für jedes T-Shirt, das wir tragen, sind allein für die Bewässerung der Pflanzen 2.000 Liter Wasser nötig. Auch der Pestizid-Verbrauch ist enorm: Ein Feld wird bis zur Ernte ca. 20 Mal gespritzt. Durch die hohen Preise für Saatgut und Pestizide stehen die Bauern unter einem riesigen Druck, eine hohe Ernte einzufahren, um die Kosten wieder reinzubekommmen. Transfair und Programme für den ökologischen Baumwollanbau versuchen mit anderen Anbaumethoden und garantierten Preisen diese Spirale zu durchbrechen. Doch bislang stammt weniger als ein Prozent der Baumwolle aus ökologischem Anbau.

taz (19.2.2009): "Für jedes T-Shirt sieben Kilo CO2"

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Wundermittel Gentechnik-Baumwolle?

Ca. 64 % der weltweit angebauten Baumwolle war 2016 gentechnisch verändert (zur Berechnung des Anteils an der gesamten Anbaufläche von Baumwolle: siehe Kasten unten).

Meist handelt es sich um Bt-Baumwolle. Bt steht für Bacillus thuringiensis: ein Gen dieses Bakteriums wird in die Baumwollpflanze eingebaut. Dadurch produziert sie ein Gift, die die Larven des Baumwollkapselbohrers töten soll. Dafür treten jedoch vermehrt Sekundärschädlinge auf: Ist der Baumwollkapselbohrer bekämpft, freuen sich Blattläuse und Stinkwanzen und vermehren sich prächtig. Außerdem währt auch der Schutz gegen den Baumwollkapselbohrer nicht ewig. Seit 2008 werden vermehrt Resistenzen gegen das Bt-Gift  festgestellt.

Andere Gentechik-Baumwoll-Sorten sind resistent gegen die Pflanzengifte ("Roundup Ready") der Gentechnikfirmen. Zwar kann durch die neuen Eigenschaften der Pestizid-Verbrauch kurzfristig gesenkt werden, längerfristig steigt er jedoch wieder an, weil auch die Unkräuter unempfindlich gegen das Gift werden. Auch anderen Problemen, beispielsweise extreme Trockenheit oder zu viel Regen, können die Gentechnik-Pflanzen nicht trotzen.

Um den zwangsläufig auftretenden Resistenzen Herr zu werden, wird die Baumwollpflanze mittlerweile gleich mehrfach gentechnisch manipuliert. Diese sogenannten gestapelten Merkmale sorgen dafür, dass die Baumwollpflanze sowohl ihr eigenes Bt-Gift produziert als auch resistent gegen die Spritzmittel der Gentechnikkonzerne ist.

Umweltinstitut München (2012): Baumwolle Anbau / Bekleidung
eco-news (12.2.2008) Baumwollschädling entwickelt Resistenzen gegen Pflanzenschutzmittel

Berechnung des Gentechnik-Anteils an der Baumwollfläche

Leider gibt es zum Anbau von Bio-Baumwolle nur eine Zahl aus dem Jahr 2012 (Stand Mai 2018).

Die USDA prognostiziert laut der Quelle statista.com für das Anbaujahr 2017/18 eine globale Baumwoll-Anbaufläche von 33.5 Mio. ha.

Laut dem Bericht vom International Service for the Acquisition of Agri-biotech Applications (ISAAA) wurde 2016 auf 64% der gesamten Bauwoll-Fläche Gentechnik-Baumwolle angebaut

Dass die Datenlage ohnehin sehr unterschiedlich ausfällt, zeigen auch die Baumwoll-Anbauzahlen aus dem Jahr 2012. Laut ISAAA wurde 2012 auf 24,3 Millionen Hektar Gentechnik-Baumwolle angebaut; ingesamt wuchs Baumwolle laut US-Landwirtschaftsministerium auf 33,1 Millionen Hektar im Jahr 2013/14, laut Bremer Baumwollbörse lag die durchschnittliche Baumwollfläche von 1993/94 bis 2013/14 bei 33 Millionen Hektar.

Somit lag der Gentechnik-Anteil im Jahr 2012/2013 bei ca. 73%.

(Der gentechnik-freundliche ISAAA [International Service for the Acquisition of Agri-biotech Applications, gesponsert von Gentechnik-Firmen] gibt für 2012 hingegen 81% an, nimmt als Grundlage jedoch die Baumwollfläche für 2009.)

Indiens Bauern: Selbstmorde aus Verzweiflung

Neben den USA und China ist Indien das Haupt-Anbauland für Baumwolle. Als die Bt-Baumwolle 2002 auf den Markt kam, waren die Erwartungen groß: Mehr Erträge und weniger Pestizideinsatz wurden versprochen. Millionen von indischen Bauern stellten um auf Gentechnik-Baumwolle. 2007 wurden auf über 70% der Baumwollfelder gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut (ca. 7 Millionen ha). Doch die Erwartungen wurden nicht erfüllt und die Situation der Bauern ist prekär: In Indien ist gentechnisch verändertes Saatgut teils viermal so teuer wie konventionelles. Die ohnehin armen Bauern müssen mehr Geld ins Saatgut investieren und sind verschuldet, wenn die Ernte schlecht ausfällt. Die Abhängigkeit von Großkonzernen wird dadurch verstärkt, dass Saatgut durch Lizenzverträge immer wieder nachgekauft werden muss und nicht aus der eigenen Ernte gewonnen werden kann.

Außerdem fallen die Weltmarktpreise für das einst als "weißes Gold" gepriesene Produkt beständig: Die hoch subventionierte Gentechnik-Baumwolle aus den USA und (konventionelle) aus Europa drückt die Verkaufserlöse. Viele Bauern begehen Selbstmord, weil sie aus ihrer schwierigen Lage keinen Ausweg sehen. Nicht allein die Gentechnik ist daran Schuld - jedoch werden die Probleme der Landwirte durch den Anbau von Gentechnik-Pflanzen teilweise noch schlimmer. Denn der Anbau in Monokulturen fördert auch das Hungerproblem. Wurden früher gleichzeitig Gemüse und Früchte angebaut, muss heute erst die Baumwolle verkauft werden, um Nahrungsmittel zu kaufen. Dass die gentechnisch veränderte Bt-Baumwolle heute so weit verbreitet ist, führen Kritiker vor allem auf das aggressive Marketing der Konzerne und auf die Verdrängung traditioneller Sorten zurück.

Eine im Sommer 2012 viel beachtete Studie der Universität Göttingen, derzufolge Gentech-Baumwolle indischen Bauern 50% mehr Einkommen beschert habe, hatte nach Ansicht von Greenpeace-Experten und indischen Aktivisten gravierende Mängel. So sei der Anstieg bei der Baumwoll-Ernte auf die Jahre vor der Markteinführung der Gentech-Pflanzen zurückzuführen, während die Erträge in den letzten Jahren, in denen Gentechnik dominierte, stagnierten. Gleichzeitig seien jedoch die Ausgaben der Bauern für teureres Saatgut und Pestizide drastisch gestiegen. Die Göttinger Studie hatte jedoch nur die "guten Jahre" bis 2008 beachtet.

Greenpeace (2012): 10 Jahre Bt-Baumwolle in Indien – eine Erfolgsgeschichte?
Coalition for a GM-Free India (2012): 10 Years of Bt Cotton: False Hype and Failed Promises
Uni Göttingen (2012): Economic impacts and impact dynamics of Bt (Bacillus thuringiensis) cotton in India
IFPRI (Oktober 2008): Bt Cotton and Farmer Suicides in India
Greenpeace (2006): Gen-Baumwolle schädigt chinesische Bauern
Videos zum Gentechnikanbau in Indien

Baumwolle zum Essen

Doch Baumwolle landet nicht nur in Jeans und T-Shirts. Bestimmte Teile der Fasern werden für die Papierherstellung verwendet. Und auch die rund anderthalb Kilogramm Samen pro Kilogramm Faser bleiben nicht ungenutzt: Man presst das Öl aus ihnen heraus. Übrig bleiben neben dem rötlichen Öl die sogenannten Ölkuchen, die in den Futtertrögen von Kühen und Schweinen landen. Sie vertragen die Fladen, denn ihre Mägen sind unempfindlicher gegen die natürlichen Giftstoffe der eiweißreichen Baumwollsamen. Außer den zahlreichen Pestiziden, denen die Baumwollpflanze während ihres Wachstum ausgesetzt war, produziert die Pflanze ein eigenes Gift namens Gossypol, das die Pflanze vor Schädlingen schützt. 2006 jubilierten Gentechnik-Bewürworter, man könne diese Öl nun bald auch für Menschen genießbar machen. Dank einer gentechnischen Veränderung sei es nunmehr möglich, dass Gossypol nur noch in der Pflanze, aber nicht im Samen produziert werde. Ein riesiges Potenzial zur Ernährungssicherheit wurde konstatiert. Ob das Öl mit weniger Gossypol vor dem Hintergrund des massiven Pestizideinsatzes beim Anbau tatsächlich empfehlenswert ist, sei dahingestellt. Tatsache ist, dass die "klassischen" Gentech-Varianten (s. o.) den Markt bestimmen.

Spiegel-online (21.11.2006): Giftfreie Baumwolle soll Arme ernähren

Bio-Baumwolle: Ungenutztes Potenzial

Weniger als 1% der Baumwolle weltweit kommt aus ökologischem Anbau (Stand 2012). Die Vorteile der Bio-Baumwolle liegen jedoch auf der Hand. Wer Bio-Baumwolle anbaut muss eine Fruchtfolge einhalten, um so die Schädlinge besser in Schach zu halten. Nach einem Jahr Baumwolle werden im nächsten Jahr Bohnen, Erbsen oder eine andere Nahrungsfrucht angebaut. So können sich die Böden erholen und gleichzeitig produzieren die Bauern ihre eigenen Lebensmittel. Außerdem bleibt Dünger im Boden.

Zudem sind die Preise, die für ökologisch erzeugte Baumwolle bezahlt werden, höher und verlässlicher. Das Projekt von transfair in Burkina Faso arbeitet beispielsweise nach diesen Prinzipien. Das groß angelegte und vom Otto-Versand geförderte Projekt Cotton made in Afrika schließt Gentechnik ebenfalls aus, ist aber nicht so transparent und umfassend wie andere Programme, auch die sozialen und ökologischen Standards sind niedriger. C&A wiederum setzt zumindest bei seinen "Bio-Cotton"-Produkten auf zertifizierte biologische (und damit gentechnikfreie) Baumwolle.

Es liegt an den Kundinnen und Kunden, sich zu informieren und bewusst einzukaufen - und vielleicht auch mal wieder über einen Flohmarkt zu schlendern...

Deutschlandfunk (09.02.2009): Beliebter Rohstoff
Ökologisch und sozial verträglich angebaute Baumwolle
Cotton made in Africa

Was können Sie tun?

Achten Sie beim Textil-Einkauf auf Siegel, die ökologischen Anbau von Baumwolle und soziale Mindeststandards garantieren, z.B. GOTS, IVN BEST oder Naturland - oder zumindest nach international anerkannten Standards als Bio-Baumwolle zertifiziert sind. Nur der Anbau von Bio-Baumwolle ermöglicht es den Landwirten, unabhängig von Saatgutkonzernen zu arbeiten. Dies sichert die Ernährung ihrer Familien und belastet die Umwelt nicht mit synthetischen Pflanzenschutzmitteln.

Noch ein Tipp: Flohmärkte, Second-Hand-Läden und Tauschbörsen bieten nicht nur tolle Schnäppchen, sondern auch eine besonders umweltschonende Alternative zum Neukauf.

Kirsten Brodde klärt in ihrem Buch "Saubere Sachen: Wie man grüne Mode findet und sich vor Öko-Etikettenschwindel schützt" (Januar 2009) über die feinen Unterschiede auf. In Greenpeace Magazin gibt sie einen Überblick über die Thematik:

Kirsten Brodde (März 2008): Grün Couture

In dem Infokasten rechts finden Sie unter Tipps für "saubere" Klamotten weitere nützliche Links.

Hintergrundinfos

Coalition for a GM-Free India (2012): 10 Years of Bt Cotton: False Hype and Failed Promises

Diese Studie der indischen Universität für Agrarwissenschaften zeigt, dass die Baumwoll-Kapseleule den Anbau der zweiten Generation von Gentechnik-Baumwolle überlebt und sich sogar auf den Pflanzen vermehrt:
Survival and reproduction of natural populations of Helicoverpa armigera on Bt-cotton hybrids in Raichur, India, Dezember 2010

Dokumentation des NABU-Workshops Gentechnik und Baumwollanbau:
Transgen, tranfair oder konventionell, Februar 2009

NABU-Hintergrundpapier zum Thema "Baumwolle":
Hintergrund Baumwolle, Feb. 2009

Die Studie der University of Wageningen zu den Folgen des weltweiten Baumwollanbaus kommt zu dem Ergebnis, dass Pestizideinsatz und Wasserverbrauch im bewässerten Anbau massive Probleme verursachen. Insbesondere für Regionen, in denen Baumwolle ohne Bewässerung angebaut wird, wird die Umstellung auf den Bio-Anbau empfohlen. Zudem sollten vermehrt auch soziale und handelsrelevante Aspekte in Betracht gezogen werden:
Karst Kooistra and Aad Termorshuizen (University of Wageningen, April 2006): The sustainability of cotton - Consequences  for man and environment

Fragen und Antworten zum Thema Bekleidung/Baumwollbekleidung hat das Umweltinstitut München e.V. zusammengestellt. Es geht hier um Probleme des konventionellen Baumwollanbaus, Chemikalien bei der Verarbeitung von Baumwolle sowie um Gentechnikbaumwolle:
Fragen und Antworten – Bekleidung – Baumwollbekleidung

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