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Foto: The Council of the European Union

Neue Gentechnik: Österreich kritisiert Gesetzgebungsprozess der EU

19.03.2023

Im Rat der Umweltminister der europäischen Union hat Österreich das Vorgehen der EU-Kommission bei ihrem Plan, das Gentechnikrecht zugunsten neuer gentechnischer Verfahren (NGT) aufzuweichen, diese Woche massiv angegriffen. Die Kommission stütze sich zum großen Teil auf reine Annahmen, sagte die österreichische Umweltministerin Leonore Gewessler und verlangte eine „solide wissenschaftliche Basis“ für die geplante Neuregelung. EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkeviĉius wies die Vorwürfe zurück.

Im Mittelpunkt der Debatte stand die Folgenabschätzung (englisch: impact assessment), die jeden Verordnungsvorschlag der EU-Kommission begleiten muss. Um diese zu erarbeiten, benutzte die Kommission einen Fragebogen, der an die EU-Mitgliedstaaten und zahlreiche Organisationen ging. In einer Informationsnote, die als Basis für die Diskussion im Umweltrat diente, schrieb Österreich, der Fragebogen basiere „weitgehend auf Erwartungen, Annahmen und suggestiven Szenarien und nicht auf Daten und wissenschaftlich fundierten Methoden“. Deshalb dürften die Ergebnisse nicht die Basis von Regelungen für neue gentechnische Verfahren sein.

Das Schreiben verweist auch auf eine Studie der europäischen Lebensmittelbehörde EFSA zur Risikobewertung von NGT-Pflanzen und kritisierte, dass in dem darin vorgeschlagenen Konzept zahlreiche Fragen zu den möglichen Umweltrisiken dieser Pflanzen offengeblieben seien. Deshalb müsse die Kommission „eine umfassende Umwelt- und Gesundheitsrisikobewertung vorsehen“ und dürfe ihren Gesetzesvorschlag nicht „auf ein vages und noch unzureichend ausgearbeitetes Konzept“ stützen. Das Fazit des Schreibens: Die Kommission soll „eine umfassende Folgenabschätzung durchführen, die sich auf solide Daten und nicht auf Annahmen stützt“. In der Debatte verteidigte EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkeviĉius die Folgenabschätzung. „Die Kommission habe sich einem „evidenzbasierten, transparenten und inklusiven Prozess verschrieben“. Es habe zahlreichen Möglichkeiten für alle Beteiligten gegeben, sich zum Thema zu äußern. Neu war seine Aussage, dass das EU-Forschungszentrum JRC Fallstudien zu möglichen Gesetzesänderungen erarbeitet habe. Sie umfassen laut Sinkeviĉius positive wie negative soziale, ökologische und ökonomische Auswirkungen.

Unterstützt hatten das österreichische Schreiben im Vorfeld Zypern und Ungarn. In der Debatte schlossen sich Luxemburg, die Slowakei, Belgien und Slowenien der österreichischen Position an. Die Vertreterin des deutschen Umweltministeriums betonte, das Vorsorgeprinzip müsse gewahrt, Wahlfreiheit gewährleistet und Koexistenz gesichert bleiben. Man sei interessiert zu erfahren, wie die Kommission beabsichtige, mit diesen Themen umzugehen. Die sieben Staaten unterstützten auch den Vorschlag Österreichs, auf der Ebene des Europäischen Rates eine Arbeitsgruppe zu NGT einzurichten, in der die Ressorts Umwelt, Gesundheit und Landwirtschaft vertreten seien. Bisher sind es vor allem die Landwirtschaftsminister:innen, die die Debatte um NGT bestimmen. Die Umweltminister:innen haben sich erst zweimal kurz darüber ausgetauscht, auch beim ersten Mal auf Initiative Österreichs. Entschieden wird bei einem solchen Anlass nichts.

Dänemark, Estland, Lettland und die Niederlanden unterstützten dagegen die Linie der EU-Kommission. Insgesamt beteiligten sich nur zwölf der 27 EU-Mitgliedstaaten an dem Meinungsaustausch. Bioland, Demeter und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft hatten im Vorfeld an den Umweltrat appelliert, ein klares Zeichen gegen eine Deregulierung des Gentechnikrechts zu setzen. Friends of the Earth Europe hatte der Kommission vorgeworfen, kritiklos die Positionen der Agrarlobby abgeschrieben zu haben. [lf]

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