Werner Baumann (links), Vorsitzender des Vorstands der Bayer AG, und Hugh Grant, Chairman und Chief Executive Officer von Monsanto (Foto: Bayer)
Werner Baumann (links), Vorsitzender des Vorstands der Bayer AG, und Hugh Grant, Chairman und Chief Executive Officer von Monsanto (Foto: Bayer)

Bayer: Vorstandschef Baumann verlässt die Baustelle

02.03.2023

In seinem letzten Geschäftsbericht konnte der scheidende Bayer-Chef Werner Baumann ein deutliches Plus bei Umsatz und Gewinn verkünden. Seinem Nachfolger Bill Anderson hinterlässt er abgestürzte Aktien, milliardenschwere Anlegerklagen und eine drängende Frage: Soll Bayer zerschlagen werden?

Die Bayer AG hat ihren Umsatz 2022 um 8,7 Prozent auf 50,7 Milliarden Euro gesteigert. Der Konzerngewinn erhöhte sich auf 4,15 Milliarden Euro. Im Jahr 2021 war es eine Milliarde Euro gewesen. Doch diese guten Zahlen konnten Vorstandschef Werner Baumann nicht mehr retten. Anfang Februar verkündete der Aufsichtsrat, dass Baumann seinen Posten vorzeitig räumen werde und bereits zum 1. Juni 2023 vom US-Amerikaner Bill Anderson abgelöst wird. Dieser kommt am 1. April vom Arzneimittelhersteller Roche in den Bayervorstand, damit Baumann ihn noch einarbeiten kann. Anderson solle Bayer „in ein neues, erfolgreiches Kapitel führen“, sagte Aufsichtsratschef Norbert Winkeljohann.

Denn das Kapitel Baumann brachte dem Konzern reichlich Ärger. Seit Baumann 2016 im Vorstand den Vorsitz übernahm, halbierte sich der Aktienkurs. 2020 fuhr der Konzern einen Rekordverlust von zehn Milliarden Euro ein. Im Jahr zuvor hatten die Aktionäre dem Vorstand bereits die Entlastung verweigert. Der Grund für das Debakel: Mit dem Kauf von Monsanto hatte Bayer auch die Risiken der damals anlaufenden Glyphosatklagen übernommen – und unterschätzt. Die Verantwortung dafür tragen der damalige Aufsichtsratsvorsitzende Werner Wenning und sein Zögling Werner Baumann - „der große und der kleine Werner“, wie sie laut einer ZDF-Doku intern bei Bayer genannt wurden. Wenning wurde 2020 vorzeitig als Aufsichtsratsvorsitzender abberufen. Und wie Baumann in Wennings Schlepptau bei Bayer die Karriereleiter hinaufgestiegen war, folgt er ihm jetzt im Abgang. Zuvor musste er allerdings noch die Suppe auslöffeln, die er den Aktionären eingebrockt hatte.

Fertig ist er damit nicht geworden. Im Geschäftsbericht heißt es zu den Glyphosatklagen, „dass von inzwischen insgesamt ca. 154.000 angemeldeten Ansprüchen ca. 109.000 verglichen sind oder aus verschiedenen Gründen nicht die Vergleichskriterien erfüllen“. Bayer habe, berichtete Baumann, 16 Milliarden Euro zurückgestellt und davon rund 9,5 Milliarden inzwischen ausgezahlt. 6,4 Milliarden Euro stünden noch für die ausstehenden Klagen bereit. Für dieses Jahr erwartet der Konzern Vergleichsauszahlungen von zwei bis drei Milliarden Euro. 1,3 Milliarden davon wurden bereits im Januar für zwei Vergleiche wegen Umweltschäden durch giftige Chlorverbindungen (PCB) verwendet, der Rest ist laut Baumann überwiegend für Glyphosatklagen gedacht.

In Kanada wurden dem Konzern laut Geschäftsbericht bis zum 1. Februar 2023 genau 31 Klagen im Zusammenhang mit Roundup™ zugestellt, einschließlich elf Klagen, in denen jeweils die Zulassung einer Sammelklage beantragt wird. Auch Anleger in den USA und Deutschland wollen Geld von Bayer. Sie werfen dem Konzern vor, er habe sie über die Risiken der Monsanto-Übernahme nicht ausreichend aufgeklärt. „Das Landgericht Köln leitete im Juli 2022 ein Musterverfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz ein“, steht dazu im Geschäftsbericht. Nach Angaben der prozessführenden Anwaltskanzle TILP fordern 280 institutionelle und zahlreiche private Investoren aus der ganzen Welt "weit über" zwei Milliarden Euro Schadenersatz. Insgesamt schätzt TILP die Anlegern entstandenen Schäden auf einen "mittleren zweistelligen Milliardenbetrag". In den USA hat unterdessen ein Gericht in Kalifornien entschieden, ein Sammelverfahren mit einem Teil der Vorwürfe der klagenden Anleger:innen fortzusetzen. Rückstellungen für Anlegerprozesse wurden noch nicht gebildet.

Bayer berichtete von einer „außergewöhnlich starke(n) Geschäftsentwicklung“ in seinem Bereich Crop Science. Dieser wuchs um 15 Prozent und erwirtschaftete die Hälfte des Konzernumsatzes. Am deutlichsten legte das Geschäft mit den Herbiziden zu „durch Preissteigerungen aufgrund von Versorgungsengpässen für glyphosathaltige Produkte im Markt“, teilte der Konzern mit. Anders gesagt: Bayer hat an der Knappheit verdient. Damit dürfte es 2023 vorbei sein. Die weltweiten Lieferketten funktionieren wieder und das Unternehmen rechnet damit, dass die Preise zurückgehen. „Mit mauen Geschäftsaussichten und einer Diskussion um die Aufspaltung des Pharma- und Agrarkonzerns verabschiedet sich Bayer-Vorstandschef Werner Baumann“, fasste die Agentur Reuters die Pressekonferenz zusammen.

Im Januar hatten einzelne Investoren eine Aufspaltung des Konzerns gefordert, da dessen drei Sparten Crop Science (Agrar), Pharma (verschreibungspflichtige Medikamente) und Consumer Health (rezeptfreie Medikamente) einzeln mehr wert seien als zusammen. Vorstand und Aufsichtsrat gingen auf dieses Thema auf der Jahrespressekonferenz nicht ein, haben aber eine klare Position. „Der derzeitige Bayer-Vorstand sowie der Aufsichtsrat lehnen solche Pläne ab“, schrieb die Wirtschaftswoche. Dabei sind sie sich ausnahmsweise mit ihren Kritiker:innen von der Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG) einig. Der neue Vorstandsvorsitzende Bill Anderson „darf sich dem Druck der Investoren nicht beugen und Bayer zerschlagen. Die seit Wochen verunsicherte Belegschaft erwartet von ihm ein kategorisches 'Nein' zu den Forderungen der Hedgefonds", erklärte CBG-Geschäftsführer Marius Stelzmann [lf]

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