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Foto: The Council of the European Union

Lemke: Koalitionsvertrag sieht keine Änderung des EU-Gentechnikrechts vor

21.12.2021

Die neue Bundesumweltministerin Steffi Lemke hat klargestellt, dass die Koalition das bestehende EU-Gentechnikrecht nicht ändern will. Auf einer Sitzung der Umweltminister der EU-Staaten betonte Lemke, dass der Koalitionsvertrag eine solche Änderung nicht vorsehe. Bezüglich der fachlichen Bewertung der Crispr/Cas-Verfahren gelte die bekannte Position des Ministeriums, teilte Lemkes Pressesprecher mit. Friends of the Earth Europe und Global 2000 thematisierten zum Umweltministerrat die Lobby-Aktivitäten der Gentechnikkonzerne bei der EU-Kommission.

Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung kommt das Wort Gentechnik nicht vor. Daraus schließt die Bundesumweltministerin, dass die Bundesregierung das EU-Gentechnikrecht nicht ändern will – sonst stünde das ja als Vorhaben im Vertrag. Damit hat Steffi Lemke die erste Gelegenheit genutzt, um dem Regierungshandeln beim Thema Gentechnik eine klare Richtung zu geben.

Die Gelegenheit dazu bot der gestrige Umweltministerrat, zu dem sich die Umweltminister der EU-Staaten in Brüssel trafen. Die österreichische Delegation hatte ein kurzes Positionspapier zu der von der EU-Kommission geplanten Änderung des Gentechnikrechts eingereicht. Unterstützt von Zypern, Luxemburg und Ungarn betonte Österreich die Bedeutung des Vorsorgeprinzips gerade bei neuen Techniken, bei denen noch keine oder nur wenige Erfahrungen mit möglichen Gesundheits- oder Umweltauswirkungen vorlägen. Es sei von „äußerster Wichtigkeit“, dass das hohe Sicherheitsniveau und die Wahlfreiheit der Verbraucher auch für mit neuer Gentechnik hergestellte Pflanzen erhalten bleibe, heißt es in dem Papier.

Zwar stand das Positionspapier ganz am Ende der Tagesordnung und es gab auch nur eine kurze Aussprache dazu. Doch es war das erste Mal, dass sich die Umweltminister der EU-Länder mit der geplanten Änderung des Gentechnikrechts befassten. Bisher hatten sich nur die Agrarminister mit dem Thema beschäftigt. In ihrem Statement vor den EU-Kollegen bedankte sich Ministerin Lemke bei Österreich für diesen Vorstoß, den sie unterstütze. „Der Koalitionsvertrag, auf dem die neue deutsche Bundesregierung basiert, sieht keine Notwendigkeit einer Novellierung der jetzt gültigen Regulierung“, sagte Lemke. Aus Umweltsicht sei es zwingend, das Vorsorgeprinzip auch im Zulassungsverfahren zu wahren und eine Risikobewertung ohne Abstriche vorzusehen. Zudem sollten die Risiko- und Nachweisforschung ausgebaut werden. Auch müsse die Koexistenz unterschiedlicher Anbauformen gewahrt bleiben. Auf keinen Fall dürften agrarökologische Wachstumsbranchen gefährdet werden. Mit diesem klaren Statement kam die Minsterin einer im Vorfeld von mehreren Umweltorganisationen geäußerten Bitte nach, das Wort für eine strenge Regulierung zu ergreifen.

Zur Ratssitzung veröffentlichten Friends of the Earth Europe und Global 2000 eine Recherche, die aufzeigt, wie sich große Agrarkonzerne über das Patentrecht den Zugriff auf neue gentechnische Verfahren wie Crispr/Cas sicherten. So verfüge der Konzern Corteva, hervorgegangen aus den Agrarsparten von Dow und DuPont/Pioneer, über einen Pool von rund 50 Patenten. Wer die Crispr-Technologie kommerziell nutzen wolle, müsse teure Vermarktungslizenzen beantragen, schreibt Global 2000. Die Recherche schildert auch die Lobby-Anstrengungen der Konzerne für eine Deregulierung des Gentechnikrechts. Sie hätten dafür seit 2018 mindestens 36 Millionen Euro aufgewendet. Zudem habe es seit 2018 182 Treffen von Gentechnik-Lobbyisten mit EU-Kommissaren, ihren Kabinetten und Generaldirektoren gegeben, heißt es in der Recherche. Die Deregulierungspläne der Kommission seien ein deutliches Beispiel dafür, wie stark große Agrar- und Biotechnologiekonzerne auf politische Entscheidungsprozesse einwirken würden. Brigitte Reisenberger, Gentechniksprecherin von Global 2000, appellierte deshalb an den Ministerrat: „Die Umweltminister:innen haben die Möglichkeit aufzustehen, und die strenge Regulierung der Gentechnik zu verteidigen, zum Wohle der Natur und der Ökosysteme.“ In ihren Statements taten das neben Lemke die Minister aus Rumänien, Ungarn, Luxemburg, Zypern, Frankreich und der Slowakei. Die Vertreter von Estland, Dänemark, Tschechien und den Niederlanden stellten sich hinter die Pläne der EU-Kommission. [lf]

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