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Das Europäische Patentamt in München (Foto: EPA)

Patente auf neue Gentechnik: Züchter zahlen an Konzerne

11.07.2021

Neue gentechnische Verfahren seien einfach anzuwenden und deshalb auch für mittelständische Züchtungsunternehmen geeignet, sagen ihre Befürworter. Ein Bericht des gentechnikkritischen Instituts Testbiotech zeigt: Die großen Saatgutkonzerne haben sich in Europa längst wichtige Rechte gesichert und lassen sie sich bezahlen - allen voran der Konzern Corteva.

Die Mehrzahl der beim Europäischen Patentamt (EPA) für neue Gentechnik beantragten Patente bezieht sich laut Bericht auf das Verfahren Crispr/Cas. Die Wissenschaftlerteams, die das Verfahren entwickelten, haben dazu zahlreiche Patente bei der Behörde eingereicht. „Bis Ende 2020 hatte das EPA bereits mehr als 30 Patente auf die Crispr/Cas-Technologie für die Feng-Zhang-Gruppe und etwa 15 Patente der Gruppe um Jennifer Doudna und Emmanuelle Charpentier erteilt“, heißt es im Testbiotech-Bericht. Die Wissenschaftlerinnen Doudna und Charpentier hatten 2012 entdeckt, wie sich mit Crispr/Cas DNA schneiden lässt; Feng Zhang hatte es auf RNA übertragen.

Den Zugriff auf diese Patente haben sich die großen Konzerne schon früh durch Lizenzvereinbarungen mit den beiden Forschergruppen gesichert. Besonders erfolgreich sei dabei der Konzern Corteva gewesen, der aus den Agrarsparten von Dow und Dupont hervorging. Demnach „gelang es der Firma, 48 Grundlagenpatente in einen gemeinsamen Patente-Pool zu vereinen“, heißt es in dem Bericht. Die meisten davon hält das Team um Feng Zhang vom Broad Institute des MIT in Harvard. Der Zugang zu diesem Pool sei notwendig, um Crispr/Cas „vollumfänglich in der Pflanzenzucht einsetzen zu können“. Zuchtunternehmen seien „nicht nur gezwungen, Lizenzen zu zahlen, sondern auch Verträge über die Einhaltung von Leitlinien und Vertraulichkeit abzuschließen“, schreibt Testbiotech.

Eines dieser Unternehmen ist der große niederländische Gemüsezüchter Bejo. Er schloss im Mai eine „nicht-exklusive Forschungs- und kommerzielle Lizenzvereinbarung“ mit Corteva Agriscience und dem Broad Institute. „Durch die Vereinbarung erhält Bejo Zugang zum geistigen Eigentum von Crispr/Cas9 für die Genom-Editierung zur landwirtschaftlichen Nutzung. Dies ermöglicht Forschungsarbeiten und -programme sowie potenzielle zukünftige kommerzielle Anwendungen“ etwa bei Kohlgemüse, Zwiebeln oder Karotten, heißt es in einer Mitteilung von Corteva. Deren Chief Technology Officer Sam Eathington erklärte, man freue sich, Bejo „bei der Erforschung neuer Anwendungen dieses leistungsstarken Werkzeugs in Gemüsekulturen zu unterstützen“. Die Investition von Bejo in die Genom-Editierung spiegele „das wachsende Vertrauen wider, dass sich das politische Umfeld in der Europäischen Union (EU) weiter öffnen wird“. Ähnliche Vereinbarungen unterschrieben auch der französische Züchter Vilmorin oder der US-Kartoffelzüchter Simplot. Testbiotech sieht die EU-Kommission gefordert. Sie müsse untersuchen, wie sich die marktbeherrschende Stellung Cortevas und deren Kontrolle des Zugangs zu patentierter Technologie im Bereich der Neuen Gentechnik auf den Wettbewerb auswirke.

Neben diesem Patente-Pool, mit dem es den Zugang zu Crispr/Cas –Anwendungen kontrollieren kann, hat Corteva laut Bericht auch gut 70 eigene Patentanträge gestellt, von denen das EPA bisher 27 stattgegeben hat. Viele davon beziehen sich auf ältere Verfahren wie Talen oder Zinkfinger-Nukleasen. Auf den Plätzen zwei und drei liegen hier Bayer mit knapp 50 Patentanmeldungen und der deutsche Konzern KWS mit 30. Es folgen das US-Unternehmen Calyxt sowie BASF und Syngenta. Erteilt wurden an die anderen Konzerne bisher nur wenige Patente, weil viele Anträge neueren Datums sind und die patentrechtlichen Abläufe Zeit brauchen. Die Zahlen recherchierte Testbiotech in öffentlich zugänglichen Datenbanken des EPA.

Testbiotech wirft den Konzernen vor, in vielen ihrer Patentanträge „die fundamentalen biologischen und technischen Unterschiede zwischen Gentechnik und konventioneller Züchtung zu verwischen“. Damit solle die Reichweite der Patente auf traditionelle Züchtungsverfahren ausgeweitet werden. Das könnte passieren, wenn etwa ein Patent bestimmte Züchtungsmerkmale wie Trockenstressresistenz abdeckt, unabhängig davon, ob dieses Merkmal durch traditionelle Züchtung oder durch ein gentechnisches Verfahren erzielt wurde. [lf]

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