Verwirrung um Gesetzentwurf zum Gentechnikgesetz
07.11.2016
Da hat sich die Bundesregierung wohl selbst überholt: Kurz vor der Kabinettssitzung am vergangenen Mittwoch war in den Änderungsentwurf zum Gentechnikgesetz noch eine Passage zur Einzelfallprüfung bei neuartiger Gentechnik wie CRISPR-Cas9 eingefügt worden (der Informationsdienst berichtete). In der Bundesratsdrucksache 650/16 zu diesem Entwurf, die jetzt den Ländern zugeleitet wurde, fehlt die Passage jedoch. Dem Vernehmen nach hatte das Kabinett den Entwurf am 2.11. trotz Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Koalition mit dieser Passage verabschiedet.
Wie aus gut informierten Kreisen verlautete, wurde die fragliche Passage in der Begründung des Entwurfs unmittelbar vor der Kabinettsitzung als Austauschseite verteilt. Darin wird der Umgang mit neuartigen Gentechnikverfahren wie CRISPR-Cas9 geregelt. Ob sie als Gentechnik eingestuft werden müssen, ist noch umstritten. Laut Entwurf soll nun im Einzelfall prozess- und produktbezogen betrachtet und bewertet werden, ob eine Pflanze nach Einsatz dieser Verfahren als gentechnisch verändert gilt. Maßgeblich ist dabei nach aktueller deutscher Behördenpraxis, ob die Veränderung auch auf natürlichem Weg hätte entstehen können. Eine Entscheidung der Europäischen Kommission, wie die neuen Verfahren einzustufen sind, steht noch aus. Die Kommission hatte die Mitgliedsländer gebeten solange stillzuhalten.
Trotzdem war es offenbar keine bewusste Entscheidung, den heiklen Passus wieder zu entfernen. Bei der Versendung des überholten Gesetzentwurfs handelte es sich anscheinend um ein Versehen: Das Bundeskanzleramt soll dem Bundesrat bereits eine aktualisierte Fassung angekündigt haben. Allerdings ist der Lapsus auch ein Beleg für den enormen Zeitdruck, mit dem der lange umstrittene Entwurf jetzt augenscheinlich durchs Gesetzgebungsverfahren gepeitscht werden soll. Die Bundesregierung hat dem Bundesrat für seine Stellungnahme eine Frist bis zum 16.12.2016 gesetzt. Gleichzeitig wurde der Gesetzentwurf „ausnahmsweise als besonders eilbedürftig“ nach Artikel 76 Grundgesetz erklärt. Ohne ein beschleunigtes Verfahren bestehe die Gefahr, „dass die parlamentarischen Beratungen zu dem Gesetzentwurf, der ein gesellschaftlich sehr sensibles Thema betrifft, nicht mehr in dieser Legislaturperiode abgeschlossen werden können“, schreibt die Bundeskanzlerin.
In diesem Fall kann die Bundesregierung den Entwurf bereits nach drei Wochen an den Bundestag weiter leiten, auch wenn bis dahin noch keine Stellungnahme des Bundesrates vorliegt. Damit könnte die erste Lesung des Gesetzes im Bundestag noch in diesem Jahr stattfinden und der Entwurf dann an den zuständigen Ausschuss überwiesen werden. Voraussichtlich im Januar 2017 soll es im Bundestag noch eine Anhörung zum Thema geben. Das federführende Agrarministerium geht davon aus, dass der Bundestag die Änderung des Gentechnikgesetzes im Frühjahr 2017 beschließen wird. [vef]