Biofach 2016
Die Biofach in Nürnberg ist die wichtigste Messe der Branche (Foto: NürnbergMesse)

Biofach: „Gentechnik keine Zukunftstechnologie“

12.02.2016

Auf der größten Bio-Lebensmittelmesse der Welt, der Biofach in Nürnberg, wurde heute auch über Gentechnik und TTIP diskutiert. Einig waren sich Branchenvertreter und Experten der bayerischen sowie baden-württembergischen Regierung, dass es in Deutschland weiterhin keinen Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen geben soll. Dafür müsse die Bundesregierung sorgen, appellierten sie an Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU). Bei der Beurteilung neuer Gentechnikverfahren zeigten sich die Politikvertreter allerdings wesentlich offener als die Öko-Produzenten.

Dass in Deutschland in den letzten Jahren keine Gentechnik mehr auf dem Acker wuchs – zuletzt gab es 2011 auf kleinen Flächen einige transgene Kartoffeln von BASF – sei „ein großer Erfolg der Zivilgesellschaft“, erklärte Peter Röhrig, der den Bio-Dachverband „Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft“ (BÖLW) leitet. Auch für 2016 rechne er nicht mit dem Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen hierzulande.

Die Geschäftsführerin der Hofpfisterei München, Nicole Stocker, erinnerte, dass vielen Umfragen zufolge rund 80 Prozent der Bevölkerung keine Gentechnik auf dem Teller will. Deshalb engagiere sich die Bio-Bäckerei auch gegen den Gentechnik-Anbau in Deutschland, denn eine Koexistenz von Öko- und Gentechnik-Feldern sei nicht möglich. Wind und Insekten können den Pollen der transgenen Pflanzen auf benachbarte Felder tragen, und das über Kilometer. Auch für konventionelle Landwirte kann das zum Problem werden.

Der Amtschef des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg, Wolfgang Reimer, betonte, sein Bundesland sei keineswegs „technik-feindlich“. Im Gegenteil, Baden-Württemberg sei wie Bayern ein „High-Tech-Land“. Gentechnik werde aber dennoch überwiegend abgelehnt. Aus seiner Sicht sei sie schlicht „keine Zukunftstechnologie“, sondern verschärfe landwirtschaftliche Probleme: zum Beispiel, dass Unkräuter herbizidresistent werden, weil die Gentechnik-Felder systematisch mit Chemikalien besprüht werden. Oder dass Bauern Fruchtfolgen vernachlässigen. Zudem gebe es kein ausgewogenes Verhältnis von Risiken und Chancen – der begrenzte Nutzen für die Landwirtschaft rechtfertigt nach Sicht des Amtschefs also nicht, die beträchtlichen Risiken einzugehen.

Die Bundesländer, so Reimer, wollten daher ein Gentechnik-Anbauverbot, durchgesetzt von der Bundesregierung. Es gebe aber noch immer Streit zwischen CDU und SPD sowie zwischen dem Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt von der CSU und seiner für Umweltbelange zuständigen Kabinettskollegin Barbara Hendricks (SPD) – die Koalition ist sich nicht einig, ob der Bund allein die Verantwortung übernehmen muss oder nicht doch einen Teil auf die Länder abwälzen darf. Es hänge also an der Bundesregierung, dass das Gesetz zur Umsetzung des von der EU beschlossenen Opt-Out-Mechanismus, der Anbauverbote erleichtern soll, noch nicht im Bundestag behandelt worden ist.

„Wir erwarten im Prinzip eine einheitliche Vorgehensweise“, kommentierte auch ein Vertreter des CSU-geführten bayerischen Landwirtschaftsministeriums, Ministerialdirigent Friedrich Mayer. „Mit einem Flickerlteppich können wir nicht weiterarbeiten“, warnte er vor einer Zersplitterung in Bundesländer mit und ohne Gentechnik auf dem Acker. Er erinnerte, dass es nur um den Anbau gehe, nicht jedoch um die Produktion in geschlossenen Systemen, beispielsweise von Lebensmittelzusatzstoffen, die von gentechnisch veränderten Mikroorganismen im Tank ausgeschieden werden.

Ein Großteil der Gentechnik-Pflanzen geht allerdings ins Tierfutter für die konventionelle Fleisch- und Milchproduktion. Mayer ermutigte dazu, als Alternative zu Importen von Gentechnik-Soja oder –mais aus Übersee wieder selbst mehr Eiweißfuttermittel in Deutschland anzubauen. Bayern verfolge das seit einigen Jahren und man sei im Ministerium selbst überrascht gewesen, wie gut das gelinge. Gut ein Viertel der Sojaimporte könne man durch heimisches Futter ersetzen, zu dem neben Raps, gentechnik-freiem Soja und anderen Hülsenfrüchten natürlich auch Heu von der Weide gehöre.

Alle Diskussionsteilnehmer warnten indes, nach dem Abschluss eines Freihandelsabkommens mit den USA (TTIP) könne es sehr schwierig werden, den Anbau von Gentechnik-Pflanzen weiter zu verhindern. Das Abkommen werde „aller Wahrscheinlichkeit nach ein Einfallstor für Gentechnik sein“, sagte Stocker von der Hofpfisterei. Mayer berichtete von Gesprächen mit amerikanischen Farmern, die gewarnt hätten: „Passt auf!“ Für die US-Regierung und die Agrarindustrie des Landes sei der leichtere Export von gentechnisch veränderten Pflanzen nach Europa ein wichtiges Ziel.

Sein Kollege aus dem baden-württembergischen Ministerium erklärte, zwar könne es durchaus sein, dass die Agro-Gentechnik aus dem TTIP-Vertrag ausgeklammert werde. Doch spätestens durch die darin vereinbarte regulatorische Zusammenarbeit – dabei sollen Experten aus US-Behörden und Industrie schon vor dem Erlass neuer Gesetze mitreden dürfen – seien Veränderungen in der Gentechnik-Regulierung der EU möglich.

Unterschiedlich wurden hingegen die neuen Gentechnik-Verfahren geurteilt. Diese Techniken, darunter das medial gehypte CRISPR-Cas9-Verfahren, aber auch die Oligonukleotid-gesteuerte Mutagenese oder die Zinkfingernuklease-Technik, sind offiziell bislang weder als Gentechnik noch als Nicht-Gentechnik eingestuft. Zuständig ist die EU-Kommission, die sich bis Ende März äußern will. Sieht sie in allen oder einigen Verfahren keine Gentechnik, könnten damit entwickelte Pflanzen ohne weitere Risikoprüfung, Sicherheitsvorschriften oder Kennzeichnung verwendet werden. Auch auf dem Acker, auch in Deutschland.

Die Industrie argumentiert, die neuen Verfahren seien so präzise und die Eingriffe so klein, dass die Pflanzen gar nicht von herkömmlichen zu unterscheiden seien. Die Vertreter des bayerischen und auch des vom Grünen-Minister Alexander Bonde geführten baden-württembergischen Ministeriums zeigten sich für diese Argumentation offen. Reimer sagte, wenn man mit den neuen Techniken auch Probleme der Öko-Landwirtschaft lösen könne, beispielsweise die Anfälligkeit von Pflanzen für hartnäckige Krankheiten, könne das ein „Segen“ sein. Mayer plädierte dafür, das Feld nicht den Konzernen zu überlassen. Sonst hätten mittelständische Züchter das Nachsehen.

Stocker von der Münchner Bio-Bäckerei sah das ganz anders. Dass man in den Pflanzen den gentechnischen Eingriff mit jetzigen Mitteln nicht nachweisen könne, sei eben genau das: ein Nachweisproblem. Das ändere aber nichts daran, dass Gentechnik zum Einsatz gekommen sei. Der BÖLW-Vorsitzende Felix Prinz zu Löwenstein erklärte, die Öko-Branche sehe dieses Thema mit großer Sorge. Man solle sich jetzt Zeit lassen für eine gründliche Beurteilung, bevor die mit solchen Techniken hergestellten Pflanzen einfach auf den Markt geschmissen würden. Löwenstein brachte ein Moratorium ins Spiel, um offene Fragen zu klären. Reimer hielt es aber nicht für realistisch, dass es eine solche Maßnahme geben könnte. Für eine ausführliche Diskussion fehle die Zeit, weil die Forschung schon sehr weit sei. [dh]

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