Kühe Futter Futtermittel Stall
Gentechnik-Futter? Nicht bei diesen Bio-Kühen, bei denen in industriellen Ställen aber schon (©BLE, Bonn / Foto: Thomas Stephan)

Tonnen Tierfutter mit antibiotikaresistenten Gentech-Bakterien verfüttert

18.12.2018

UPDATE +++ Hunderttausende Tonnen Viehfutter wurden nach Hochrechnung der Verbraucherorganisation Foodwatch in der Europäischen Union unerlaubt mit gentechnisch veränderten Bakterien kontaminiert, die resistent sind gegen Antibiotika. Der Bacillus subtilis stammt aus einem in China hergestellten und inzwischen verbotenen Vitamin B2-Zusatz für Futtermittel. Verbände kritisieren, dass Behörden und EU-Kommission schon seit Jahren Bescheid wussten und erst jetzt die Reißleine zogen.

Futtermischungen für Schweine, Hühner und Rinder enthalten auch Mineralstoffe und Vitamine, darunter Vitamin B2 (Riboflavin). Dieses Vitamin wird meist mit Hilfe gentechnisch veränderter Mikroorganismen hergestellt, etwa dem Bacillus subtilis. Dieses Verfahren ist legal, solange die gereinigten Vitamine frei von Rückständen des Gentech-Bakteriums sind. Doch Anfang Oktober 2018 meldeten die belgischen Behörden im EU-Warnsystem RASFF, dass sie ein „nicht zugelassenes gentechnisch verändertes Bakterium (Bacillus subtilis) in Vitamin B2 (Futtermittel) aus den Niederlanden“ gefunden hätten.

Wie das Bundesinstitut für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) auf Anfrage bestätigte, darf dieser Vitaminzusatz damit „nicht in den Verkehr gebracht werden“. Trotzdem sei er von China über die Niederlande auch nach Deutschland (Bayern und Nordrhein-Westfalen) geliefert worden, teilte das BVL mit. Von Bayern aus sei das Produkt an Abnehmer im Bundesgebiet und in Europa verkauft worden. Die Großhändler hätten diese Abnehmer inzwischen über das Problem informiert und dort noch vorhandene Ware gesperrt. Um welche Mengen es dabei gehe, könne man aus den vorliegenden Informationen nicht abschätzen, so das BVL.

Trotzdem sieht die Behörde „nach gegenwärtigem Informationsstand“ kein Risiko für den Verbraucher. Im Fall der belgischen Warnung vom Oktober, die laut RASFF eine Vitamin B2-Menge von 60 Kilogramm betraf, habe das Labor nur „Spuren von DNA“ des Bacillus subtilis gefunden. Ein Nachweis, dass das untersuchte Vitamin B2-Produkt lebensfähige Gentech-Bakterien enthalte, liegt laut BVL nicht vor. Ob er überhaupt versucht wurde, blieb offen. Laut RASFF sind aktuell 20 europäische Staaten betroffen.

Konkreter wurden die Franzosen: Nach Informationen der französischen Tageszeitung „Le Monde“, die sich auf Regierungsangaben beruft, sind allein von April bis Juni 2018 mindestens acht Tonnen des mit gentechnisch veränderten Bakterien belasteten und damit illegalen Vitamin B2-Präparats aus China über einen niederländischen Futtermittelhersteller nach Europa importiert worden. Laut Foodwatch könnten mit dieser Menge „Hunderttausende Tonnen Tierfutter“ produziert worden sein.

Dabei hatte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA bereits im März 2018 festgestellt, dass der Vitaminzusatz ein Risiko für Tiere, Verbraucher und die Umwelt darstellt. Doch erst im September 2018 entzog die EU-Kommission dem Hersteller die Zulassung. Dennoch dürfen „zur Lebensmittelgewinnung dienende Tiere“ noch bis April 2019 Futter erhalten, welches das chinesische Vitamin enthält.

Und das, obwohl in der Vergangenheit mehrfach eindeutig belegt worden war, dass der Zusatzstoff Gentech-Bakterien aus der Herstellung enthält: Bereits 2010 und 2013 wies sie ein belgisches Labor nach. 2014 fanden dann deutsche und britische Behörden erneut lebensfähige Zellen des gentechnisch-veränderten Bacillus subtilis im Vitamin B2-Granulat aus China. Der Bacillus subtilis KCCM-10445 ist resistent gegen mehrere Antibiotika. Doch erst im August 2016 beauftragte die Europäische Kommission die EU-Lebensmittelbehörde EFSA mit einer neuen Stellungnahme zur Sicherheit des chinesischen Riboflavin. Parallel hatten im Oktober 2016 Experten des BVL und andere EU-Behörden laut Foodwatch eine gemeinsame Untersuchung durchgeführt, die zu dem Schluss kam: Das betreffende Futtermittel hätte nicht verkauft werden dürfen.

„Es ist erschütternd, wie die EU-Kommission nicht nur die gesundheitlichen Risiken gentechnisch veränderter Organismen ignoriert, sondern auch die völlig unnötige Verbreitung von Antibiotikaresistenzen durch illegale Futter-Zusatzstoffe jahrelang billigend in Kauf nimmt“, sagte Matthias Wolfschmidt, Kampagnendirektor von Foodwatch. „EU und Landwirtschaftsministerium haben die Gesundheit der Verbraucher wissentlich missachtet“, kritisierte Renate Künast, ernährungspolitische Sprecherin der Bundestags-Grünen im Magazin Spiegel. Für Christoph Then, Geschäftsführer von Testbiotech, zeigt der Fall, „dass die EU-Kommission mit den Risiken gentechnisch veränderter Organismen zu nachlässig umgeht. Diese Bakterien hatten die Möglichkeit, sich über Jahre in den Tierställen auszubreiten und ihre Resistenzen an andere, gesundheitsgefährdende Keime weiterzugeben.“ [lf/vef]

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