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Bild: Christian Schnettelker, www.manoftaste.de

EU-Gentechnik-Zulassungsverfahren versagt bei Risikovorsorge

08.10.2014

Die EU-Gesetzgebung fordert Schutz von Umwelt und Verbrauchern beim Einsatz von Gentechnik-Pflanzen, doch das EU-Zulassungsverfahren gewährt diesen nicht. Dies ist das Fazit der Studie „Risiken mit amtlichem Siegel“, die der Bio-Dachverband Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) heute veröffentlicht hat.

Weder die für die Bewertung von Gentech-Pflanzen zuständige EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA noch ihre Methoden werden bei der Zulassung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) dem Vorsorgeprinzip gerecht. Das sehen Europaparlament und der künftige Kommissionspräsident Jean-Claude Junker genauso. Bisher sind knapp 50 gentechnisch veränderte Organismen in der EU mit dem in der Kritik stehenden Verfahren zugelassen worden, noch mehr stehen in der Pipeline.

Laut EU-Gentechnikrecht sollen GVOs zugelassen werden, „wenn eine den höchstmöglichen Anforderungen standhaltende wissenschaftliche Bewertung aller damit verbundenen Risiken für die Gesundheit von Mensch und Tier bzw. für die Umwelt unter der Verantwortung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit [...] durchgeführt worden ist.“ Doch laut Studie werden fast ausschließlich Daten zur wissenschaftlichen Bewertung zurate gezogen, die von den Antragstellern stammen. Eine vom Gesetzgeber vorgeschriebene unabhängige, objektive und transparente Risikobewertung findet nicht statt.

Die Studie bemängelt auch die Methode der EFSA . Die Behörde gehe von einem „industriellen Gen“ aus, das in seiner Wirkung kontrolliert werden kann. Aus vielen der vorliegenden wissenschaftlichen Daten werden unbeabsichtigte Effekte durch die gentechnische Veränderung des Genoms - veränderte Stoffwechselaktivität oder eine erhöhte Proteinproduktion - deutlich. Weitere Versuche, mögliche Risiken auf Mensch und Umwelt für die Umwelt oder der menschlichen Gesundheit auszuschließen, werden den Firmen durch die EFSA nicht abverlangt.

Ein klares Defizit weist die Zulassungspraxis bei Pflanzen auf, die selbst Insektengifte absondern. Beim Einbau dieser Toxine in die Pflanzen werden die Gifte in der Regel erheblich verändert. Die „Zielgenauigkeit“ ist mehr als fraglich. Dass das Gift auch Nützlinge trifft, sei kaum auszuschließen, doch detaillierte Untersuchungen sind Mangelware. Viele Studien zeigen, dass Bt-Gifte auf verschiedene Weise wirken, sie in ihrer Giftigkeit stark variieren und Wechselwirkungen mit anderen Stoffen die Giftwirkung erhöhen können. Für die Zulassung einer solchen Gentechnik-Pflanze werden derlei Studien vom Antragesteller nicht verlangt.

Neben der inhaltlichen Zulassungspraxis beanstandet die Studie die zuständige EU-Behörde EFSA selbst. Immer wieder muss sie sich für enge Verbindungen zur Industrie erklären. Im Oktober 2012 wies selbst der EU-Rechnungshof in seinem Bericht auf „Drehtüreffekte“ zwischen der Behörde und der Industrie hin. Die der EFSA zur Zulassung von GVOs dienenden Standards entsprechen weitgehend den Forderungen der Industrie, vertreten durch das International Life Science Institute (ILSI).

Die Kritik am EU-Zulassungsverfahren ist nicht neu. Schon im Sommer 2008 forderten die EU-Umweltminister grundlegende Reformen, 2011 machte das EU-Parlament auf die Defizite aufmerksam. Der Petitionsausschuss des Bundestages unterstrich im Juli dieses Jahres die Einschätzung, dass die für die Gentechnik-Zulassung zuständige Behörde EFSA kein „funktionierendes ausgeglichenes Zulassungsverfahren“ gewährleisten könne. [keh]

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