Demonstration gegen Patente auf Leben in München (Foto: BN Bayern)
Demonstration gegen Patente auf Leben in München (Foto: BN Bayern)

„Patentschutz funktioniert nur für große Firmen“

26.04.2013

Patente auf Pflanzen und Tiere sind höchst umstritten, werden aber dennoch weiterhin erlassen. Und das, obwohl sich Bundestag und EU-Parlament in Resolutionen eindeutig dagegen ausgesprochen haben. Das deutsche Landwirtschaftsministerium hat nun ein Monitoringprogramm gestartet, mit dem Probleme erkannt werden sollen. Doch Umweltorganisationen drängen auf eine Klarstellung im Patentrecht, das Firmen und das Patentamt bislang nach ihrem Gusto auslegen können. Ein solcher Schritt scheitert jedoch an Uneinigkeiten in der schwarz-gelben Regierungskoalition, wie ein Symposium in Berlin erneut verdeutlichte.

Zwei Tage lang debattierten Politiker aller Bundestagsparteien, Umweltschützer, Vertreter des Bauernverbandes und der großen Pflanzenzuchtunternehmen über das heikle Thema. In ihrer Eröffnungsrede erklärte die Gastgeberin, Agrarministerin Ilse Aigner (CSU), sie wolle „keine Monopolisierung des Saatguts.“ Es dürfe nicht passieren, dass Landwirte künftig bei großen Konzernen „als Bittsteller auftreten“ müssen. Die Schöpfung gehöre schließlich allen Menschen. Deshalb werde sich die Bundesregierung in Brüssel für eine Änderung der Patentrichtlinie einsetzen, falls das neue Monitoring zeige, dass dies notwendig sei.

Ob das in der jetzigen Koalition gelingt, ist allerdings fraglich. Zwar herrschte auf der Veranstaltung trotz vieler Differenzen in Detailfragen weitestgehend Einigkeit darüber, dass Pflanzen und Tiere aus „im Wesentlichen biologischen Verfahren“, also klassische Züchtungs- und Kreuzungsmethoden, nicht patentiert werden dürften. Doch im Gegensatz zu ihren Bundestagskollegen sah die Vertreterin der FDP, Christel Happach-Kasan, keinen Bedarf für politisches Eingreifen. Es könne sogar einen Verstoß gegen internationale Abkommen darstellen. Dass die jetzigen Vorschriften ausreichten, zeige sich daran, dass die große Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts zuletzt bereits gewährte Ansprüche auf konventionelle Tiere und Pflanzen aufgehoben habe. Letztlich brauche es „weniger Juristerei“ und mehr Innovation, um eine wachsende Weltbevölkerung zu ernähren.

Dabei hatte noch Ministerin Aigner darauf hingewiesen, dass das Patentamt allein in der zweiten Hälfte des letzten Jahres 82 Patente auf Leben erlassen hat. Ein wenig irritiert zeigte sich folglich auch Clemens Neumann, Abteilungsleiter im Agrarministerium, in seinem Schlusswort am Donnerstag. Mit Ausnahme der FDP-Politikerin seien sich alle anwesenden Bundestagsabgeordneten einig gewesen. Die Pflanzen- und Tierzucht sei „eine der großen Leistungen der Menschheit“ und müsse für alle zur Verfügung stehen. Auch der Deutsche Bauernverband, sonst der industriellen Landwirtschaft gegenüber durchaus aufgeschlossen, hatte klar für Ausnahmen für Bauern und Züchter plädiert. Zwar müssten Innovationen in gewisser Weise geschützt werden. Die Versuche der Agrar-Konzerne, immer wieder neue Patente zu erlangen, gingen jedoch zu weit, so Bauern-Vertreter Udo Hemmerling.

Anders sah dies naturgemäß ein Mitarbeiter des Saatgut- und Gentechnikriesen Syngenta. Michael Kock führte die hohen Kosten für die Weiterentwicklung von Züchtungsverfahren an. Hierfür müssten die Firmen einen „angemessenen Return“ bekommen. Der Sortenschutz nach deutschem Vorbild reiche dafür nicht aus. Nur zusammen mit den Bio-Patenten könne ein „fairer Interessensausgleich“ stattfinden. Auch er bestritt, dass eine Änderung der Patentrichtlinie nötig sei. Schließlich habe Syngenta mittlerweile eine e-licensing Plattform im Internet. Damit könnten andere Züchter einfach die Lizenzen derjenigen Pflanzen erwerben, mit denen sie weiter arbeiten wollten. Die Anforderungen seien dadurch nun wesentlich geringer.

Das Hervorheben dieser Internetplattform monierte hingegen Christoph Then vom Institut Testbiotech. Syngenta und andere Agrarkonzerne versuchten so lediglich, die Politik auszubremsen und härtere Rechtsvorschriften zu verhindern. Die konkurrierenden Züchter seien so vom guten Willen der Marktführer abhängig. „Der Patentschutz funktioniert nur für große Firmen“, bilanzierte Then. Das könne man in den USA sehen, wo es schon länger solche Patente gebe. Dort seien die Saatgutpreise stark angestiegen, während kleine Zuchtunternehmen aufgekauft oder aus dem Markt gedrängt worden seien. Er kritisierte die Bundesregierung dafür, dass sie jahrelang nichts gegen die Patentierung von Lebewesen getan habe. Doch dringender denn je brauche es jetzt eine eindeutige Präzisierung der Patentrichtlinie, um künftige Fehlentwicklungen zu vermeiden. Die Politik habe die Regeln schließlich festgelegt. Daher müsse auch ihre Auslegung, nicht die des Patentamts und der Privatwirtschaft gelten. [dh]

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