DNA RNA Studie zu dsRNA in Gentechnik Pflanzen
Bisher wurde die DNA, der Träger der Erbgutinformationen, gentechnisch verändert, nun geht es um den "Zwischenspeicher", die RNA - Konzerne freuen sich auf lukrative Möglichkeiten (Foto: Sponk, Gegenüberstellung eines RNA-Strangs und eines DNA-Doppelstrangs mit Darstellung der jeweiligen Nukleobasen/ Wikimedia, http://bit.ly/1OkRQyR, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de)

Risikobewertung versagt bei neuen Gentech-Pflanzen

26.03.2013

Die Risikobewertung von gentechnisch veränderten Pflanzen steht seit Jahren in der Kritik: zu oberflächlich, zu intransparent, zu industrienah. Doch es könnte noch schlimmer sein, als bisher angenommen: Offenbar unterschätzen die Behörden völlig, wie sich eine neue Klasse von Gentechnik-Pflanzen auf die tierische und menschliche Gesundheit auswirken könnte. Eine aktuelle Studie untersucht die Situation in Australien, Neuseeland und Brasilien – doch auch in der EU dürfte es kaum anders sein.

„Herkömmliche“ Gentechnik-Pflanzen enthalten meist Gene anderer Pflanzen, Bakterien oder Insekten. Durch die zusätzliche Erbinformation werden in den Zellen neue, unnatürliche Proteine produziert, die die Pflanze dann beispielsweise immun gegen bestimmte Chemikalien machen oder sie ein Gift zur Abwehr von Schädlingen freisetzen lassen. Die Information, welche Proteine hergestellt werden sollen, werden von Boten übermittelt, den Ribonukleinsäurenn (RNA). So weit, so umstritten.

Die „neuen“ High-Tech-Pflanzen hingegen bilden keine neuartigen Proteine, sondern neue Boten-RNA. Anders als die bisherigen haben sie aber nicht einen Strang, sondern zwei (deshalb heißen sie dsRNA = double-stranded RNA). Im Organismus können sie verschiedene Gene aktivieren oder „abschalten“. So kann zum Beispiel die Stärkeproduktion einer Pflanze beeinflusst werden – oder eine Larve, die die Pflanze frisst, gezielt getötet werden. Denn die dsRNA kann über die Nahrung ins Blut und in die Organe von Tieren – und vermutlich auch von Menschen – gelangen, wie chinesische Wissenschaftler letztes Jahr bewiesen. Welche Reaktionen dadurch im Körper ausgelöst werden, ist kaum erforscht.

Ein Grund für die Behörden, die für die Sicherheit der Verbraucher zuständig sind, bei gentechnisch veränderten Pflanzen und Produkten der neuen Klasse sehr genau hinzuschauen. Doch offenbar geschieht das nicht. Die Autoren der Studie, darunter die Professoren Jack Heinemann von der Universität Canterbury in Neuseeland und Judy Carman von der Flinders Universität in Australien, stellten eine „systematische Vernachlässigung“ dieser Frage durch nationale Behörden fest. Da die Prüfer von vornherein – und zwar auf Grundlage „veralteter“ Annahmen – jedes Risiko durch die dsRNA ausschlössen, habe es bislang keine einzige einwandfreie Bewertung von gentechnisch veränderten Pflanzen gegeben, erklärten die Wissenschaftler im Interview mit GM Watch. Trotzdem wurden die fraglichen Pflanzen bereits zugelassen – von den Firmen jedoch teils nicht vermarktet oder wieder zurückgezogen.

Es geht allerdings nicht ausschließlich um Pflanzen. Der Agrochemie-Konzern Monsanto entwickele bereits Pestizide, die Boten-RNA enthalten, heißt es in der Studie, die kürzlich im renommierten Fachmagazin „Environment International“ erschien. Beim Versprühen auf dem Feld sollen diese Stoffe direkt über die Haut in Schädlinge eindringen und sie töten. Monsanto selbst schreibt auf seiner Website, man beginne erst, diese Technologie zu erforschen. Die „Biopestizide“ hätten aber schon heute einen Markt von 1,7 Milliarden Dollar – kein Wunder, dass der Konzern bereits mehrere Firmen, die mit dsRNA-Molekülen arbeiten, aufgekauft hat. Robert Fraley, der technische Leiter bei Monsanto, freut sich über die neuen Möglichkeiten von „BioDirect“, wie die entsprechende Sparte beim Saatgut-Riesen heißt. „Die BioDirect-Technologie hat das Potenzial, eine der aufregendsten Weiterentwicklungen der Landwirtschaft zu werden, die ich in meiner Karriere gesehen habe“, prophezeit der Manager.

Doch während sogar der selbstbewusste Branchenführer der Agro-Gentechnik zugibt, bei dieser Entwicklung noch am Anfang zu stehen – und die Experten von GM Watch, einer britischen Organisation, warnen, die Wissenschaft versuche noch immer zu verstehen, wie die Boten-RNA genau wirkt und welche Auswirkungen das auf die Gesundheit hat – erteilen die Behörden schon mal die Zulassungen für entsprechend modifizierte Pflanzen. So hat die Food Standards Australia New Zealand (FSANZ), die für beide Länder zuständig ist, laut der Studie bereits fünf Gentechnik-Pflanzen, darunter zwei Sojas und eine virenresistente Kartoffel, für die Lebensmittelproduktion genehmigt, die neue dsRNA enthalten. Und das, obwohl selbst die Behörde schreibt, der „exakte“ Wirkmechanismus sei „unbekannt.“ [dh]

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Die Studie können Sie kostenlos herunterladen:

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