DNA Genom
DNA-Modell der Ausstellung 'Genome: The Secret of How Life Works' im Jahr 2012 (Foto: George Bush Presidential Library and Museum / flickr, creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0)

Studie: Gentechnik-Pflanzen eher Zeitbombe als Chance

30.08.2019

Gentechnik-Pflanzen als Allheilmittel gegen Hunger und Dürre? Wenig geeignet und sehr riskant, sagt eine neue Studie im Auftrag der Grünen-Fraktion im Europaparlament über neue gentechnische Methoden in der Landwirtschaft. Von einer „üblen Täuschung der Verbraucherinnen und Verbraucher“ spricht gar der Bund für Umwelt- und Naturschutz, BUND.

Der Milchbauer und Grünen-Abgeordnete Martin Häusling ist Co-Autor und Herausgeber der im Juli veröffentlichten Studie „Zukunft oder Zeitbombe? Designerpflanzen als Allheilmittel sind nicht die Lösung!“. Sie besteht aus drei Teilen. Den Hauptteil, die kritische Darstellung der neuen Technologien der Gen-Manipulation, hat Heike Moldenhauer vom Verband Lebensmittel ohne Gentechnik beigesteuert. Die Anwältin Katrin Brockmann bespricht die Rechtslage in der Europäischen Union und in den USA für Produkte aus diesen neuen Technologien. Zum Abschluss beschreibt der Apfelzüchter und -forscher Hans-Joachim Bannier jahrzehntelange Fehlentwicklungen in der globalen Apfelzüchtung, die er auf das agrarindustrielle Denken und eine falsche Perspektive auf die Pflanzengenetik zurückführt.

Heike Moldenhauer erklärt zunächst die Grundprinzipien der neueren Gentechnik, von denen CRISPR/Cas wohl die bekannteste ist. „Die Auswirkungen der mit Neuer Gentechnik herbei geführten DNA-Veränderungen lassen sich – angesichts der Komplexität des Genoms und seiner Wechselwirkungen mit anderen Elementen der Zelle und mit der Umwelt – nicht voraussagen“, warnt die VLOG-Expertin. Die Sicherheit der so produzierten Organismen sei „nicht durch systematische Studien belegt“, Erfahrungen gebe es kaum. Denn bislang werden nur eine Raps- und eine Sojasorte in Nordamerika angebaut und vermarktet, die mit einem neuen gentechnischen Verfahren verändert wurden.

Systematisch widerlegt Moldenhauer dann die (teils altbekannten) Versprechungen, mit der neuen Gentechnik könne der Hunger eingedämmt, dem Klimawandel getrotzt und kleine Unternehmen sowie Kleinbauern gefördert werden. Die Nachteile und Risiken der neuen Technologien sind jedoch – ebenso wie das Veränderungspotenzial - deutlich größer als bei der alten Gentechnik. Auch das Anwendungsspektrum ist nun deutlich größer als früher: Die Neue Gentechnik „zielt nicht nur auf Nutzpflanzen, sondern ebenso auf Nutztiere und auf Insekten, Wildtiere, Bäume und Gräser“. Mit den sogenannten „Gene Drives“ sollen ganze Populationen manipuliert werden können, auch wildlebende, mit der Möglichkeit zur Ausrottung. Was solche Eingriffe in die Ökosysteme jeweils bewirken können, „lässt sich nicht annähernd prognostizieren“, schreibt Moldenhauer. Die Politikanalystin weist darauf hin, dass die alten Gentechnik-Patente derzeit ablaufen und die Konzerne sich nun neue Verfahren patentieren lassen, um weiter Kasse zu machen. Sie sieht in dem neuen Ausmaß der technischen Eingriffsmöglichkeiten auch einen Angriff auf den weltweiten und zahlenmäßig durchaus bedeutenden informellen Saatgutsektor, der unabhängig von Agrarkonzernen ist.

Die Anwältin Brockmann hält im Anschluss fest, dass die neuen Technologien unter die EU-Gentechnikrichtlinie fallen: Damit veränderte Organismen müssen also eine Risikobewertung durchlaufen, Nachweisverfahren offenlegen und zudem rückverfolgbar sein. Dass solche Pflanzen in den USA schon angebaut werden, rechtfertige keinen Vertrauensvorschuss, denn die dortige Risikobewertung weise Lücken auf, so Brockmann. Nicht überprüft würden dort „ungewollte Veränderungen des Stoffwechsels der Pflanzen, Interaktionen zwischen Genom und Umwelt und Effekte auf der Ebene der nächsten Generation“.

Apfelexperte Hans-Joachim Bannier moniert in der Studie, dass bei der Apfelzüchtung in der Vergangenheit natürliche Widerstandsfähigkeit und Krankheitsresistenzen geringgeschätzt worden seien und vielmehr auf Geschmack, Optik und Lagereigenschaften gesetzt wurde. Die „hochgezüchteten, aber schwachen Pflanzen“, die laut Bannier seit langem den globalen Apfelmarkt dominieren, sollen mit Chemikalien und der Einfügung eines bestimmten Resistenzgens vor Krankheiten geschützt werden. Doch das klappe nun nicht mehr – obwohl „der konventionelle Erwerbsobstbau heute vollständig am Tropf der Chemieindustrie hängt und ein Obstbau ohne Fungizid-Einsatz den heutigen Obstbauern als weltfremde Spinnerei erscheint“. Der Schorfpilz hat anscheinend gelernt, mit dem einzelnen Resistenzgen, das den quasi wehrlosen Äpfeln implantiert wurde, umzugehen. „Bei vielen Züchtungssorten ist die anfängliche Resistenz inzwischen in vielen Gegenden Deutschlands auf ganzer Linie zusammengebrochen“, hält der Apfelzüchter fest. Alte, eher in Vergessenheit geratene Sorten hätten hingegen „polygen verankerte Resistenzen“, die also nicht nur von einem Gen abhängig sind.

Wirkliche Innovation wäre es, wenn die Risikobewertung neuer Produkte und Verfahren wie der neuen Gentechnik dem Vorsorgeprinzip folge und nicht dem Wunsch der Konzerne nach Deregulierung, kommentierte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. "Innovative Lösungen sind nur dann zukunftsfähig, wenn sie auch für Umwelt und Natur verträglich sind, und das Gesamtsystem in den Blick nehmen.“ Es sei eine Täuschung der Verbraucher, wenn Befürworter die neuen Techniken als präziser und damit harmloser darstellen, kritisierte Weiger. Einerseits beschränkten sich die neuen Gentechniken nicht ansatzweise auf kleine Änderungen, andererseits sei bisher nicht wissenschaftlich nachgewiesen, welche Auswirkungen auch noch so kleine Veränderungen des Genoms auf den Organismus haben. [rhu/vef]

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