Testbiotech - Institut für unabhängige Folgenabschätzung in der Biotechnologie
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Abgabe auf Gentechnik für unabhängige Risikoforschung?

17.09.2018

Mit einer staatlichen Abgabe auf Produkte der Gentechnik könnte eine vorsorgeorientierte und industrieunabhängige Risikoforschung finanziert werden. Zu diesem Ergebnis kommt ein Rechtsgutachten, das das gentechnikkritische Institut Testbiotech veröffentlicht hat.

Dessen Autorin, die Berliner Rechtsanwältin Cornelia Ziehm, geht davon aus, dass das Grundgesetz den Staat dazu verpflichtet, eine vorsorgeorientierte, nicht interessengeleitete Risikoforschung zu etablieren. Nur so könne der Staat seine Schutzpflichten gegenüber der Bevölkerung und der Umwelt wahrnehmen. In der Realität ist es jedoch meist so, dass die staatlichen Behörden die Risiken der Gen- und Biotechnologie überwiegend auf Grundlage von Forschungsergebnissen der Industrie bewerten. Da die Hersteller aber ein wirtschaftliches Interesse an der Zulassung ihrer Produkte hätten, ergebe sich ein Interessenkonflikt, argumentiert Ziehm. Staatliche Institutionen würden nur in begrenztem Umfang Risikoforschung betreiben. Zudem sei „teils eine mehr oder weniger große ‚Nähe’ von Mitarbeitern der staatlichen Forschungs- bzw. Bewertungseinrichtungen zur Gen- und Biotechnologieindustrie festzustellen.“ Die universitäre Forschung werde zunehmend durch Drittmittel bestimmt und sei stärker an Innovation und Wettbewerbsfähigkeit ausgerichtet, als an einer systematischen Überprüfung von Risiken für Mensch und Umwelt.

Um eine unabhängige, vorsorgeorientierte Risikoforschung zu gewährleisten, seien entsprechende Finanzmittel notwendig. Um diese unabhängig von jährlichen Haushaltsdebatten zur Verfügung stellen zu können, empfiehlt Ziehm eine staatliche Abgabe. Sie sollte auf „das Herstellen und Inverkehrbringen von Stoffen und Produkten der Gen- und Biotechnologie“ erhoben werden. Ausführlich begründet sie die rechtliche Zulässigkeit einer solchen Abgabe. Dabei verweist sie darauf, dass bereits in der EU-Freisetzungsrichtlinie von 2001 eine unabhängige Risikoforschung verlangt und die Mitgliedstaaten aufgefordert werden, die dafür notwendigen Mittel bereitzustellen. Für eine Abgabe spricht laut Ziehm auch das Verursacherprinzip. Es verpflichte den Verursacher nicht nur zum Ausgleich entstandener Schäden, sondern auch dazu, die Kosten für die Vermeidung und Verringerung von Schäden zu tragen. Gerade das sei Sinn und Zweck einer vorsorgeorientierten Risikoforschung. Als Beispiel verweist Ziehm auf das Atomrecht, wo die Forschung zur sicheren Endlagerung radioaktiver Abfälle von den Verursachern dieser Abfälle finanziert werden muss. Auch die Tätigkeit von Aufsichtsbehörden könne in risikobehafteten Bereichen durch eine Abgabe sichergestellt oder unterstützt werden, schreibt Ziehm und nennt als Beispiel die Finanzdienstleistungsbranche. Sie bezahlt durch eine Umlage die Arbeit der Aufsichtsbehörde BaFin. „Es ist nicht ersichtlich, warum diese Erwägungen nicht gleichermaßen für die Branche der Gen- und Biotechnologie gelten sollen“, argumentiert Ziehm.

Für die Mittelvergabe schlägt sie einen Fonds vor, in dessen Beirat Umwelt- und Verbraucherschutzverbände mitwirken könnten. Für Christoph Then, Geschäftsführer von Testbiotech, ist diese Einbindung der Zivilgesellschaft unverzichtbar: „Wir haben in den letzten zehn Jahren die Erfahrung gemacht, dass die Risiken der Gentechnik nur dann genauer untersucht werden, wenn die Zivilgesellschaft sich einmischt.“ [lf]

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